Der Konkurs der Lebensmittelkette Zielpunkt wird nach Konsum und Libro gemessen an den Insolvenzschulden wohl die drittgrößte Handelspleite in Österreich seit dem Jahr 1992 und trifft rund 2.700 Mitarbeiter. Mehrere Zielpunkt-Eigentümer waren in den vergangenen Jahren ohne großen Erfolg am Werk, nun scheiterte die Handelsgruppe Pfeiffer nach zwei Jahren mit ihrem Sanierungskonzept.

Die betroffenen Mitarbeiter zeigten sich am Montag bei einer Betriebsversammlung über das überraschende Ende entsetzt. "Wir waren alle komplett geschockt. Das ist eine Sauerei jetzt vor Weihnachten", sagte Zielpunkt-Betriebsratschefin Snjezana Brajinovic. Zielpunkt zahlte die November-Gehälter sowie das Weihnachtsgeld nicht mehr aus. Das übernimmt nun der Insolvenzentgeltfonds (IEF). "Wir tun derzeit alles, um die harte Situation der Betroffenen abzufedern und arbeiten intensiv an Maßnahmen, um unseren Mitarbeitern zu helfen", beteuerte Georg Pfeiffer, Eigentümer der oberösterreichischen Handelsgruppe Pfeiffer, am Montag in einer Aussendung. "Mit Zielpunkt ist ein Herzensprojekt von mir gescheitert. Wir haben alles getan, um Zielpunkt zu sanieren."

Investoren abgesprungen

Ohne weitere Finanzspritze des Eigentümers und weil interessierte Investoren doch nicht einsteigen wollten, musste die Lebensmittelkette am Montag am Wiener Handelsgericht Konkurs anmelden. Zielpunkt hätte nach eigenen Angaben mindestens bis zum Geschäftsjahr 2020/21 noch Verluste geschrieben. Im ursprünglichen Sanierungskonzept wollte Zielpunkt im Jahr 2018/19 wieder einen Gewinn erzielen. Am 25. November hat es laut Insolvenzantrag "eine überarbeitete Planung der Geschäftsführung" gegeben, nachdem potenzielle Investoren abgesprungen sind. Zwei Interessenten hätten nach einer eingehenden Prüfung (Due Diligence) "von einer Investition Abstand genommen", zuvor aber bereits indikative Angebote gelegt, schreibt Zielpunkt im Insolvenzantrag. Im Oktober und November seien die Umsätze und das Betriebsergebnis bei Zielpunkt merklich eingebrochen, ohne Aussicht auf Besserung.

Der Konkurs der Lebensmittelkette Zielpunkt ist laut Creditreform unter anderem auf "die mangelnde Bereitschaft der Muttergesellschaft zur weiteren Betriebsmittelfinanzierung" zurückzuführen. Die für den Insolvenzantrag zuständige Zielpunkt-Anwältin dementierte umgehend die Creditreform-Aussage. "Fakt ist, dass es der Pfeiffer Handelsgruppe rein rechtlich gar nicht mehr möglich war, weiteres Geld zu investieren. Das war keine Frage der Bereitschaft", so Reisch in einer Aussendung. Als weitere Insolvenzursachen ortet Creditreform "massive Umsatzeinbrüche" und "die gescheiterte Investorensuche". Für den Leiter der Insolvenzabteilung im KSV 1870, Hans-Georg Kantner, kam der Zielpunkt-Konkurs nicht aus "heiterem Himmel". Die Handelskette sei "seit vielen Jahren" ein Sanierungsfall" gewesen, sagte Kantner zur APA. Der kürzlich erfolgte umstrittene Zielpunkt-Immobilienkauf durch Pfeiffer werde durch den Masseverwalter "objektiviert".

Hoffnungsvolles Schreiben

Nur drei Wochen vor der Insolvenz-Ankündigung von Zielpunkt setzte Eigentümer Pfeiffer noch alle Hoffnungen in die Lebensmittelkette. "Wir werden mit voller Kraft die Entwicklung von Zielpunkt fortsetzen", heißt es in dem Schreiben, das Chef Georg Pfeiffer am 4. November nach dem Verkauf der Großhandelssparte C+C Pfeiffer an alle Mitarbeiter schickte. Noch am 18. November sagte Zielpunkt-Geschäftsführer Erich Schönleitner dem "WirtschaftsBlatt", dass Pfeiffer an Zielpunkt glaube und es bis 2017 aus den roten Zahlen schaffen wolle.

Die Kreditschützer vom KSV setzen die vorläufigen Insolvenzschulden (Passiva) mit 237 Mio. Euro, Creditreform mit 214 Mio. Euro an. Laut Insolvenzantrag setzen sich die Zielpunkt-Verbindlichkeiten in Höhe von 83,9 Mio. Euro ohne Berücksichtigung von Aus- oder Absonderungsrechten folgend zusammen: Lieferungen und Leistungen 38,3 Mio. Euro, offene Löhne/Gehälter inkl. Lohnnebenkosten 9,7 Mio. Euro, sonstige Verbindlichkeiten/Gutscheine 1,9 Mio. Euro, gegen verbundene Unternehmen 33,9 Mio. Euro. Der AKV zitiert aus dem Insolvenzantrag, dass mit weiteren Verbindlichkeiten aus dem Abbau des Personals von 56 Mio. Euro sowie der Auflösung von langfristigen Verträgen von 96 Mio. Euro zu rechnen ist. Das freie Vermögen von Zielpunkt beläuft sich auf 11,3 Mio. Euro. Zum Vergleich: Inflationsbereinigt beliefen sich die Passiva bei der Konsum-Pleite auf 2,7 Mrd. Euro und bei Libro auf 455 Mio. Euro.

Wenig Wettbewerb

Mit dem Konkurs von Zielpunkt wird die Konzentration am österreichischen Lebensmitteleinzelhandel weiter zunehmen. Der Marktanteil der Kette beträgt österreichweit zwar nur 2,5 Prozent, doch war Zielpunkt in Wien nach der Filialanzahl die Nummer zwei hinter Billa. Rewe mit Billa, Merkur, Penny und Adeg hat in Österreich laut RegioData einen Marktanteil von 33,7 Prozent, gefolgt von Spar mit 30,4 Prozent, Hofer (19,2 Prozent), Lidl (5,8 Prozent) und M-Preis (5,8 Prozent).

Die Mitbewerber haben ihr Interesse bereits an gut gelegenen Zielpunkt-Filialen angemeldet. In Wien verfügt Zielpunkt über 126 Filialen, in Niederösterreich 53, Steiermark 27 und Burgenland 23. Zielpunkte machte im Geschäftsjahr 2014/15 mit einen Umsatz von 438,5 Mio. Euro rund 12 Mio. Euro Verlust. Das negative Eigenkapital belief sich auf 36,69 Mio. Euro.

Der Ursprung der Kette liegt in den späten 1960er-Jahren bei der österreichischen Lebensmittelkette "Löwa". In den frühen 70ern ging "Löwa" an die deutsche Kette Tengelmann. In den späteren Jahren wurden aus "Löwa"-Märkten Zielpunkt- und Plus-Märkte. Im Mai 2010 übernahm schließlich der deutsch-luxemburgische Finanzinvestor BluO die verlustreiche Zielpunkt-Kette von Tengelmann. Als Sanierer wurde der Deutsche Jan Satek gerufen, der Zielpunkt im Februar 2012 im Rahmen eines Management-Buy-outs übernahm und die Lebensmittelkette aus der Verlustzone führen wollte. Kurz nach Satek stieg der oberösterreichische Großhändler Pfeiffer mit knapp einem Viertel (24,9 Prozent) bei Zielpunkt ein. Nach der Komplettübernahme von Zielpunkt im Jahr 2014 wollte die Pfeiffer-Gruppe mit ihren Lebensmittelketten Zielpunkt und Unimarkt bis 2020 auf 400 Standorte in Österreich kommen. Zielpunkt sollte das Image eines Diskonters bzw. Soft-Diskonters abstreifen.

Schirnhofer hofft auf Sanierung

Der oststeirische Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren Schirnhofer wird als Folge der Zielpunkt-Pleite ebenfalls Insolvenz anmelden müssen. Dies wurde der APA am Montagnachmittag aus gut informierten Kreisen bestätigt. Welche Art von Insolvenz - ob Sanierung mit oder ohne Eigenverwaltung - wird erst Dienstagfrüh klar sein. Dann soll der Antrag beim Handelsgericht Graz gestellt werden.

Eine Sanierung mit Eigenverwaltung hätte für das Unternehmen das Vorteil, dass man dadurch die bereits seit der Vorwoche beim AMS-Frühwarnsystem deponierte Kündigungen - etwa 70 - durchbringen könne. Das Unternehmen beschäftigt knapp 300 Mitarbeiter.