Für Sparer ist es keine gute Nachricht: Im Kampf gegen die Mini-Inflation dürften Europas Währungshüter die Geldschleusen noch weiter öffnen - voraussichtlich schon an diesem Donnerstag (3.12.). EZB-Präsident Mario Draghi scheint zum Handeln entschlossen: "Wir werden alles Notwendige tun, um die Inflation so schnell wie möglich wieder zu erhöhen."

Klar ist: Während in den USA die erste Zinserhöhung seit der Finanzkrise bevorsteht, wird Geld im Euroraum noch lange extrem billig bleiben. Trotz Nullzinsen, Strafzinsen, milliardenschwerer Kaufprogramme und einer Flut billiger Notkredite ist die Inflation mit zuletzt 0,1 Prozent meilenweit vom Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) entfernt. Die Notenbank strebt eine Rate knapp unter zwei Prozent an.

Höhere Strafzinsen für Banken

Daher wird im EZB-Rat um eine Ausweitung des seit März laufenden Billionen-Programms zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren ("Quantitative Easing"/QE) gerungen. Zudem könnte Banken höhere Strafzinsen für Einlagen bei der EZB aufgebrummt bekommen.

Gerade in Deutschland ist die ultra-lockere Geldpolitik umstritten, es gibt massive Zweifel an der Wirksamkeit weiterer Maßnahmen. "Konjunkturell wäre kein nennenswert positiver Effekt zu erwarten", meint Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. Unter anderem vom gesunkenen Euro-Wechselkurs und dem Ölpreisrückgang seien bereits erhebliche Konjunkturimpulse ausgegangen. Die Wirtschaft im Euroraum brauche keine zusätzliche Unterstützung durch die Geldpolitik.

"Falsche Anreize"

Tatsächlich könnten weitere Schritte nicht nur unnötig, sondern auch schädlich sein, warnen die Wirtschaftsweisen: "Die Staatsanleihekäufe setzen den Regierungen der Mitgliedstaaten falsche Anreize." Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fürchtet, dass Regierungen sich an niedrige Zinsen gewöhnen und Reformen verschleppen könnten: "Je länger die extrem lockere Geldpolitik andauert, umso weniger wirkt sie und umso mehr Risiken und Nebenwirkungen kommen ins Spiel."

Vor allem bei der Analyse des schwachen Preisauftriebs sind Weidmann und Draghi uneins: Der Italiener warnt vor Deflation - er fürchtet sinkende Preise auf breiter Front. Das könnte zur Zurückhaltung bei Konsum und Investitionen führen und das Wachstum bremsen. Dagegen begründet der Deutsche die Mini-Inflation hauptsächlich mit fallenden Ölpreisen. Die seien zugleich positiv und regten die Konjunktur an.

60 Milliarden Euro pro Monat

Seit März pumpt die EZB monatlich 60 Milliarden Euro in den Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Das Programm ist bisher bis mindestens September 2016 ausgelegt. Erworben hat die EZB in diesem Rahmen bereits Staatspapiere im Wert von fast 432 Milliarden.

Im Idealfall kommt das Zentralbankgeld über die Banken, denen die EZB Wertpapiere abkauft, in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Das soll Investitionen und Konsum anschieben und so zu mehr Wachstum und einer höheren Inflation führen.

"Dass die niedrigen Zinsen Wachstum generieren können, glaubt nur noch die EZB", urteilt Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud. "Die Kosten dieser Geldpolitik sind weitaus größer als der vermeintlich Nutzen. Die Nebenwirkungen sind gewaltig." Statt in Kredite fließe das billige Geld zu einem Großteil in Aktien oder Immobilien. "Natürlich führt das zu Preisblasen", warnt Traud.

"Unerwünschte Nebenwirkungen nehmen zu"

Im EZB-Rat ist Weidmann nicht der einzige, der noch umfassendere Wertpapierkäufe ablehnt. Aus Sicht von Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger kauft die expansive Geldpolitik zwar Zeit, sie behebe aber nicht die Ursachen für die schleppende Erholung der Wirtschaft und die schwache Inflation: "Ähnlich einem Arzneimittel lässt die Wirkung geldpolitischer Maßnahmen bei fortgesetzter Anwendung nach, während die unerwünschten Nebenwirkungen zunehmen. Und überzogene Anwendung kann dazu führen, dass der Patient sich gesund fühlt und nicht mehr an den Ursachen der Krankheit arbeitet."

Höhere Strafzinsen für Bankeinlagen bei der EZB dürften auf weniger Widerstand bei den beiden deutschen Vertretern im EZB-Rat stoßen. Würde der Einlagenzins von derzeit minus 0,2 Prozent weiter gesenkt, könnte das Geschäftsbanken dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben, statt überschüssige Liquidität bei der EZB zu parken. So die Theorie.

Doch auch am Erfolg dieser Maßnahme gibt es Zweifel. Eine Erhöhung der Strafgebühr werde die Bereitschaft zur Kreditvergabe nicht grundlegend erhöhen, meint DZ-Bank-Analyst Christian Reicherter. Vielmehr zeigten Erfahrungen aus der Schweiz, dass Banken die Zusatzkosten über höhere Hypothekenzinsen an Kunden weitergäben: "Damit wäre eines der Hauptziele der EZB - die Belebung der Kreditvergabe durch günstigere Kreditkonditionen - konterkariert."

Von Harald Schmidt und Jörn Bender/dpa