Die deutsche Regierung will den gesetzlichen Garantiezins für die meisten Lebensversicherer abschaffen. Die Höchstgrenze für die langfristigen Zinsversprechen der Lebensversicherer solle von 2016 für Neuverträge bei den meisten Unternehmen der Branche wegfallen, erklärte das Finanzministerium am Mittwoch. Reuters verweist auf einen dementsprechenden Referentenentwurf.

Für bestehende Verträge soll alles beim Alten bleiben. Der offiziell "Höchstrechnungszins" genannte Zinssatz soll die Versicherer eigentlich vor zu großzügigen Zusagen an die Kunden schützen, wird von der Branche aber vor allem als Verkaufsargument genutzt. Das Ministerium hält die Vorgabe nun nicht mehr für nötig, weil das neue EU-Regelwerk "Solvency II" den Versicherern ohnehin ausreichend Grenzen vorgibt.

Brancheverband pocht auf Erhalt

"Solvency II" tritt zum 1. Jänner in Kraft. Der Kapitalbedarf der Lebensversicherer richtet sich künftig weit stärker als bisher nach den Risiken, die sie mit ihren langfristigen Verpflichtungen eingehen. Lebenslange Garantien, wie sie jahrzehntelang üblich waren, müssen danach stärker mit Eigenkapital unterlegt werden. "Unter diesem europaweit einheitlichen Aufsichtssystem wird der Höchstrechnungszins für die Zwecke der Aufsicht nicht mehr benötigt", sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Deshalb soll er nur noch für kleine Versicherer gelten, die nicht unter das neue Regelwerk fallen.

Der Branchenverband GDV pocht auf einen Erhalt des Garantiezinses. Der Höchstsatz - zurzeit sind es noch 1,25 Prozent - sei weiterhin nötig, damit die Lebensversicherer langfristige Produkte auch in Zukunft einheitlich vorsichtig kalkulieren, erklärte ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Der Garantiezins ist die maximale Verzinsung auf das angesparte Kapital, den die Versicherer ihren Kunden über die ganze Vertragslaufzeit fest versprechen dürfen. Die darüber hinausgehende Beteiligung der Kunden an den erwirtschafteten Überschüssen wird dagegen jedes Jahr neu ermittelt. Festgelegt wird der Garantiezins bisher vom Fnanzministerium.

Garantiezins hat an Bedeutung verloren

Das Finanzministerium erklärte, die Lebensversicherer könnten auch nach der Änderung weiterhin Garantieversprechen abgeben. "Die Zusagen beruhen auf den Versicherungsverträgen, nicht auf der Verordnung", sagte die Sprecherin. Theoretisch könnten finanzstarke Lebensversicherer künftig sogar höhere Garantien geben, wenn sie es sich nach "Solvency II" leisten können.

Der Garantiezins hat allerdings in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren, weil der Anreiz einer garantierten Rendite von 1,25 Prozent für die Kunden deutlich geringer ist als in den 1990er Jahren, in denen der Garantiezins zeitweise bei vier Prozent lag. Viele Lebensversicherer haben wegen der niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt aber zunehmend Probleme, die Renditen zu erwirtschaften, die sie ihren Kunden damals versprochen hatten.

Nachfrage sinkt

Immer mehr Lebensversicherer wenden sich daher von Rentenversicherungen mit langfristigen Garantien ab. Firmen wie HDI Leben (Talanx ), Zurich und Ergo haben angekündigt, das Neugeschäft mit lebenslangen Garantien einzustellen und nur noch Rentenversicherungen zu verkaufen, bei denen die Garantien kürzer laufen oder ganz wegfallen. In Österreich hat der UNIQA-Versicherungskonzern Anfang 2015 ein neues Produkt ohne Garantiezins gestartet.

In Deutschland rechnet auch der unangefochtene Branchenprimus Allianz Leben angesichts niedriger Zinsen mit einer nachlassenden Nachfrage nach klassischen Polizzen, weil diese weniger Rendite abwerfen. Ein Drittel aller Verträge im Neugeschäft der Allianz mit Privatkunden werden aber immer noch mit Garantien verkauft obwohl die Vertreter davon abraten. Bis 2018 soll die Quote auf 10 bis 15 Prozent sinken.

In Österreich auf ein Prozent gesenkt

Der Garantiezinssatz für neue Verträge in der Lebensversicherung und Zukunftsvorsorge, den die Versicherungen ihren Kunden höchstens versprechen dürfen, sinkt in Österreich nächstes Jahr weiter. Ein dementsprechendes Verordnungspaket der FMA hat in dieser Woche Rechtskraft erlangt.

Der höchstzulässige Garantiezins wird per 1. Jänner 2016 von 1,5 auf 1,0 Prozent gesenkt. Zudem würden Regeln definiert, wie dieser differenziert anzuwenden sei. Die Obergrenze solle ausdrücklich nicht mehr als pauschale Ermächtigung verstanden werden, sie voll auszuschöpfen, hatte FMA-Vorstand Helmut Ettl im September erklärt. Es sollte sich vielmehr jeder einzelne Lebensversicherer individuell nach dem Grundsatz der Vorsicht für sein Haus festlegen.

Zur Absicherung der garantierten Zinsen bestehender Verträge muss die Zinszusatzrückstellung angehoben und rascher aufgebaut werden. Bleibe das Zinsniveau nachhaltig gleich niedrig wie derzeit, so bedeutet dies eine Anhebung bis 2021 auf fast 1,5 Milliarden Euro, so die Finanzmarktaufsicht (FMA) in ihrer heutigen Pressemitteilung. Für das Geschäftsjahr 2015 müssten daher statt mindestens 70 Millionen Euro nun mehr als 180 Mio. Euro zusätzlich dotiert werden.