Volkswagen hat dem deutschen Kraftfahrt-Bundesamt fristgerecht einen Zeit- und Maßnahmenplan zur Bewältigung des Abgas-Skandals vorgelegt. Das "umfangreiche Schreiben" sei am Mittwoch eingegangen, es werde darin von einer Rückrufaktion gesprochen, sagte der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Abend in Berlin.

VW plant demnach für die von Manipulationen betroffenen 2-Liter-Autos eine Software-Lösung, bei den 1,6-Liter-Motoren sei "mit großer Sicherheit" zusätzlich eine motortechnische Anpassung nötig.

Die technische Lösung für die 1,6-Liter-Motoren sei nicht vor September 2016 zu erwarten. Davon seien in Europa 3,6 Millionen Fahrzeuge betroffen. "Daher wird man darüber noch zu reden haben, wie lange dann die entsprechende Umrüstungsphase auch dauert", sagte Dobrindt.

Die Rückrufaktion betrifft dem Minister zufolge Fahrzeuge mit Euro-5-Diesel-Motoren und 2,0 sowie 1,6 und auch 1,2 Liter Hubraum. Die neue Software für die 2-Liter-Autos solle noch im heurigen Jahr vorliegen und von Anfang 2016 an eingebaut werden. Zu den 1,2-Liter-Autos nannte Dobrindt keine Details.

VW habe neuerlich zugesichert, dass den Kunden durch die Umrüstungen keine Kosten entstünden. 

Was auf VW-Besitzer zukommen könnte

Wann beginnt die Rückrufaktion?

Laut Plan sollen im Jänner 2016 die ersten Autos in die Werkstätten, kündigte VW-Chef Matthias Müller in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) an. Bis Ende des kommenden Jahres sollen dann alle betroffenen Autos überholt sein. VW könnte dafür sogar spezielle Werkstätten auf Zeit einrichten. Müller schloss aber auch nicht aus, manche Autos komplett auszutauschen, anstatt sie umzurüsten: "Das muss man im Einzelfall prüfen."

Was will Volkswagen an den Motoren genau ändern?

Es geht bei den Nachbesserungen nicht nur um die Manipulations-Software. Für die meisten Motoren genüge es zwar, wenn ein neues Programm aufgespielt werde, sagte Müller. Manche Autos könnten aber auch neue Einspritzdüsen und Katalysatoren bekommen. Die Umrüstung ist auch deshalb kompliziert, weil der betroffene Motortyp EA 189 in zahlreichen Kombinationen und Ländervarianten verbaut ist. Motorenexperte Prof. Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau hält es aber für möglich, dass Volkswagen keine komplett neue Technik entwickeln muss: "Es kann durchaus sein, dass VW auf eine Lösung zurückgreift, die der Konzern schon heute in seine neue Motorengeneration einbaut." Diese neuen Aggregate erfüllen die strengeren Umweltauflagen der Euro-6-Norm.

Werden die Autos dann sauberer, aber dafür langsamer?

Das ist möglich. Durch die Umrüstung könnten sich die Leistung und der Spritverbrauch ändern, sagt Getzlaff. Es müsse aber nicht unbedingt so sein, dass das Auto dann langsamer wird und mehr verbraucht. VW-Chef Müller sagte, es sei wichtiger, "das CO2-Ziel zu halten und dafür vielleicht auf 3 bis 5 km/h Höchstgeschwindigkeit zu verzichten".

Muss VW trotz Umrüstung Schadenersatz an Autobesitzer zahlen?

Autokäufer müssten sich vermutlich zunächst mit dem Verkäufer des Autos streiten - in den meisten Fällen also mit dem Händler, nicht mit dem VW-Konzern, erklärt Thomas Rüfner, Rechtsprofessor an der Uni Trier. Es sei möglich, dass der Händler Autos zurücknehmen müsse. Dafür müssten aber einige Voraussetzungen erfüllt sein: erhebliche Mängel, also dass das Auto nach der Umrüstung zum Beispiel deutlich langsamer fährt oder viel mehr Sprit verbraucht. Der Kauf darf auch nicht länger als zwei Jahre zurückliegen. "Der Autokäufer würde vermutlich den kompletten Kaufpreis zurückbekommen, müsste aber wohl nachträglich für die Nutzung des Autos zahlen", sagt Rüfner. Wenn sich die Fahreigenschaften des Autos nur in geringem Maße ändern, könne aber der Kaufpreis gemindert werden.

Können auch Besitzer älterer VW-Dieselautos Geld zurückbekommen?

Eine VW-Kundin, die ihr Auto im Jahr 2010 gekauft hat, versucht das bereits. Sie hat eine Klage direkt gegen den VW-Konzern eingereicht, unter anderem wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Frau sehe sich in ihrer Erwartung enttäuscht, ökologisch unterwegs zu sein, teilte ihr Anwalt mit. Ein VW-Sprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.

Bekommen Kunden einen Leihwagen, während ihr Auto überholt wird?

Dazu hat sich VW bisher nicht geäußert. Autohersteller sind dazu jedenfalls nicht gesetzlich verpflichtet, sagt Gabriele Emmrich von der Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Autohersteller wie Toyota hatten einen solchen Service bei Rückrufen in der Vergangenheit schon angeboten, allerdings ging es da um weniger Autos als bei Volkswagen. Emmrich zufolge stellen Händler und Hersteller nur in Ausnahmefällen ein Leihauto zur Verfügung.

EU-Verkehrsminister tagen

Die EU-Verkehrsminister beraten am Donnerstag über die Folgen der Affäre um manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen von Volkswagen (9 Uhr). Die EU-Kommission informiert bei dem Treffen in Luxemburg über den Stand der geplanten Einführung neuer Abgastests, die nicht mehr nur im Labor, sondern unter realen Straßenbedingungen stattfinden sollen. Damit sollen auch Manipulationen erschwert werden.

Der Kongress in Washington läutet unterdessen mit einer Anhörung des VW -USA-Chefs Michael Horn formell seine Untersuchung des Abgasskandals bei dem deutschen Autobauer ein. Die Abgeordneten wollen am Donnerstag von ihm erfahren, wie genau die von Volkswagen eingestandene Manipulation der Abgaswerte von Diesel-Fahrzeugen vonstattenging.

"Wir haben viele Fragen, wir haben nur sehr wenige Antworten", sagte die Abgeordnete Diana DeGette. Bei der Untersuchung wird es ihrer Kollegin Marsha Blackburn zufolge auch darum gehen, ob andere Autohersteller betroffen seien. Zudem muss die Umweltbehörde EPA darlegen, warum es so lange dauerte, bis der Skandal aufgedeckt wurde. Die Abgeordneten wollen DeGette zufolge aber auch klären, ob die Standards für Diesel-Autos womöglich zu streng sind.