140 digitale Zeichen. Mal als Idee formuliert, mal als pointierte Meinung oder inhaltsleere Stilblüte. Nicht erst seit der jüngsten Panne und einer frühzeitigen Kommunikation der Quartalsergebnisse ist der Kurznachrichtendienst Twitter wieder in aller Munde. Global setzt die 2006 ins Leben gerufene „Echtzeit-Anwendung“ ihren Wachstumskurs fort: 302 Millionen Nutzer verwenden den Dienst, pro Tag werden 500 Millionen „Tweets“ verschickt.

Auch in Österreich hat Twitter längst Fuß gefasst. Waren es laut dem Social Media Radar Austria im Jänner 2012 noch knapp 72.000 heimische Nutzerkonten, sind mittlerweile rund 130.000 gelistet. Etwa die Hälfte der Nutzer verwendet den Dienst regelmäßig, thematisch diskutiert Österreichs Twitteria zumeist über Innenpolitisches oder neue Technologien.

Trotz der noch immer überschaubaren absoluten Nutzerzahl finden überproportional viele auf Twitter besprochene Themen den Weg in klassische Medien und damit zu einem breiten Publikum. Warum das so ist? „Multiplikatoren machen die Relevanz aus“, erklärt Judith Denkmayr. Die Kommunikationswissenschaftlerin leitet die Agentur „Digital Affairs“ und beschäftigt sich seit Langem intensiv mit der Plattform. Ein Ergebnis der Beobachtungen: Besonders Journalisten, politiknahe Persönlichkeiten und berufliche Kommunikatoren prägen den zwitschernden rot-weiß-roten Mikrokosmos.
Eine Erfahrung, die auch Thiemo Gillissen teilt. Wenngleich der Grazer Marketingspezialist zunehmend Unternehmen auf der Plattform findet: „Vor allem in den letzten Monaten hat sich hier viel bewegt.“

Mit Marken in Kontakt treten

„Wir sehen in Österreich eine starke Nutzer-Tendenz, mit Marken und Unternehmen in Kontakt zu treten“, ergänzt Twitter-Manager Niall Horgan, der morgen am Marketing Rockstars Festival in Graz auftreten wird. „T-Mobile, Wien Tourismus, Billa oder Erste Bank“ würden laut Horgan die zielgerichtete Marketing-Chance der „Echtzeit-Plattform“ bereits gut nutzen.

Fragen zum nach wie vor defizitären Geschäftsmodell – zuletzt vermeldete Twitter einen Quartalsverlust von 162 Millionen US-Dollar – beantwortet der Twitter-Manager nicht. Während Judith Denkmayr meint, dass Twitter in Sachen Monetarisierung „einiges verschlafen“ habe, sieht Thiemo Gillissen die roten Zahlen entspannter. Twitter würde zurzeit, ähnlich wie Whatsapp, primär in den „Wert der Marke“ und die damit verbundene Nutzerakquise investieren. Anwender-Daten und neue Werbeformen könnten schon bald zu einer ökonomischen Wende führen.

MARKUS ZOTTLER