Damit dürfte Berthold Huber vor zwei Wochen wohl kaum gerechnet haben: Seit Samstag ist er interimistischer Chef von Volkswagen. Der 65-Jährige ist damit kurzzeitig Nachfolger des zurückgetretenen langjährigen Chefaufsehers Ferdinand Piech. Huber soll auf jeden Fall die Hauptversammlung von VW am 5. Mai leiten.

Protagonist im Machtkampf

Bis wann dann ein richtiger Nachfolger Piechs gefunden wird, ist offen. Bereits während des zweiwöchigen Machtkampfs bei VW spielte der Schwabe eine wichtige Rolle. Der frühere IG Metall-Chef ist Mitglied des sechsköpfigen Aufsichtsratspräsidiums, des innersten Machtzirkels bei dem Autobauer.

Berthold Huber übernimmt vorübergehend den Vorsitz im VW-Aufsichtsrat
Berthold Huber übernimmt vorübergehend den Vorsitz im VW-Aufsichtsrat © APA/EPA/JULIAN STRATENSCHULTE

Der streng katholisch erzogene Ingenieurssohn aus Ulm hatte es nach dem Abitur als Werkzeugmacher schon mit 28 Jahren zum Betriebsratsvorsitzenden beim Busbauer Kässbohrer gebracht. Doch Huber verließ die gerade Linie des Funktionärslebens und studierte in Frankfurt Geschichte und Philosophie ohne Abschluss. Nach der Wende baute der von Franz Steinkühler zurückgeholte Huber die IG Metall in Sachsen auf, bis er aus familiären Gründen - er musste sich um seine kleine Tochter kümmern - in den Westen zurückkehrte.

Viele offene Fragen

Nach dem Rücktritt von VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech sehen Branchenexperten den Autokonzern vor großen Herausforderungen. "Eine neue Machtbalance muss gefunden werden", sagte Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, am Sonntag der dpa.

"Der Konzern muss sich mittelfristig strukturell neu aufstellen und dezentraler organisiert werden." Die Kernfrage, mit welchem Führungspersonal Volkswagen in die kommenden, strategisch wegweisenden Jahre gehen wolle, sei weiter ungeklärt, so Bratzel.

Ferdinand Piëch im Jahr 1975
Ferdinand Piëch im Jahr 1975 © APA/Audi Nsu Auto Union Ag

Bratzel kommentierte den Rücktritt Piëchs als "tragisches Ende" einer großen Lebensleistung. "Ein Stück weit wird er selbst Opfer seines eigenen Führungsstils." Die Art des erzwungenen Rücktritts ähnele in Form und Stil stark an die durch Piech in der Vergangenheit initiierten Personalveränderungen. Unklar bleibe, welche Rolle Piech künftig einnehmen werde. "Er könnte als graue Eminenz im Hintergrund weiterhin wichtige Strippen ziehen. Das Machtpoker könnte im schlimmsten Fall weitergehen."

Ferdiand und Ursula Piëch mit Martin Winterkorn bei GTI-Treffen in Reifnitz im Jahr 2009
Ferdiand und Ursula Piëch mit Martin Winterkorn bei GTI-Treffen in Reifnitz im Jahr 2009 © APA

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen sagte, "strahlender Gewinner" des Machtkampfs sei die Allianz aus dem Arbeitnehmerflügel sowie dem Land Niedersachsen. Dieser Allianz gehe vor allem um die Arbeitsplätze im "Hochlohnland Deutschland". Ob der Konzern damit langfristig auf der Gewinnerseite stehe, sei ungewiss.

"Piech ist überzeugt, dass der Weg, den VW geht, der falsche ist. Die gewinnschwache Kernmarke ist das Hauptproblem, zusammen mit den Versäumnissen und der Modellschwäche auf dem US-Markt", so Dudenhöffer.

Ausstieg als Aktionär?

Der Piech-Biograf Wolfgang Fürweger schließt nach dem Rücktritt des VW-Patriarchen nicht aus, dass der 78-Jährige komplett bei Europas größtem Autobauer aussteigt. "Die Kardinalsfrage ist nun: Was macht Piech mit seinen Anteilen?", sagte er zu dpa-AFX.

Nachdem der Porsche-Enkel das Vertrauen in Vorstandschef Martin Winterkorn verloren und nach dem eigenen Rücktritt auch keinen Einfluss mehr auf die VW-Entwicklung habe, sei ein Verkauf nicht auszuschließen.

Ferdinand Piech hält rund 13 Prozent der Stammaktien an der Porsche SE, die wiederum gut die Hälfte der Volkswagen-Stimmrechte kontrolliert. Rechnerisch können ihm damit etwa 6,7 Prozent der VW-Stammaktien zugeordnet werden - mit einem Börsenwert von zuletzt rund 4,6 Mrd. Euro. Die Eigentümer-Familien Porsche und Piech haben ein Vorkaufsrecht, wenn ein Familien-Mitglied seine Anteile versilbern will.

An der Zukunft von Piechs VW-Beteiligung hängt auch die Frage, wer die Plätze von ihm und seiner Frau Ursula im Aufsichtsrat einnimmt. "Die beiden Namen, die in Salzburg als mögliche Nachfolger genannt werden, sind Josef Ahorner und Florian Piech", sagte Fürweger. Ahorner ist der Sohn von Piechs verstorbener Schwester Luise, Florian das Kind von Piechs älterem Bruder Ernst. Seine Berufung wäre aus Fürwegers Sicht allerdings eine Überraschung, weil sein Familienzweig keine Anteile mehr an der Porsche SE hält. Sollte Piech allerdings wirklich komplett bei VW aussteigen und seine Anteile nicht an andere Familienmitglieder verkaufen, könnten auch ganz neue Kandidaten in den Fokus rücken.