Das Finanzministerium erwägt, Online-Glücksspielportale zu sperren. Bisher agieren Anbieter von Internet-Roulette und Co. in einer Grauzone. Laut Glücksspielgesetz darf einzig auf der Seite der Lotterien-Tochter win2day gegambelt werden, gegen die Konkurrenz wird bisher aber nicht vorgegangen. Nun lässt das Ministerium Maßnahmen evaluieren. Auch auf EU-Ebene gibt es derlei Bestrebungen.

In Brüssel hat es in den vergangenen Jahren mehrere Anläufe gegeben, das Online-Glücksspiel zu regulieren. Derzeit kochen die Nationalstaaten beim Thema Zocken alle ihre eigene Suppe. Viele Länder haben Monopole, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) teilweise zu Fall bringt. Dort ist meist auch das rasant wachsende Internet-Gaming illegal, eine Handhabe dagegen gibt es aber kaum - zumal sich viele Anbieter wie der österreichisch-britische Konzern bwin.party oder die ebenfalls österreichische Firma bet-at-home auf die Dienstleistungsfreiheit der EU berufen: Mit ihrer Lizenz aus Gibraltar bzw. Malta seien sie berechtigt, in allen Mitgliedsstaaten anzubieten.

Verfahren gegen Schweden

Anders sehen das die Monopolisten, denen bwin und andere zunehmend das Wasser abgraben. "Es gibt EuGH-Urteile, wonach es möglich ist, unter gewissen Voraussetzungen von der Dienstleistungsfreiheit abzugehen", sagte Friedrich Stickler, Präsident der Europäischen Lotterien und Vorstand der Österreichischen Lotterien, am Montag zur APA. Aktuell wähnt Stickler Rückenwind von der EU-Kommission: In einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Schweden vertrete die Brüsseler Behörde den Standpunkt, dass Schweden sein Glücksspielmonopol vehement verteidige, jedoch nichts gegen illegale Anbieter unternehme. Das sei inkohärent, denn dem Ziel Spielerschutz werde so nicht Genüge getan.

Laut Stickler entsteht dadurch auch Druck auf andere EU-Staaten. "Es genügt auch nicht, wie es jetzt das eine oder andere Land macht, zu sagen: die Anbieter müssen Steuern zahlen. Man muss sie wirklich bekämpfen."

Das Steuerargument wird oft von den nichtstaatlichen Internet-Anbietern selbst ins Treffen geführt - "wir würden gerne Steuern zahlen und dafür Lizenzen bekommen", lautet ihr Gesuch. Branchenführer bwin.party und kleinere Anbieter machen sich seit Jahren in Brüssel für ein Lizenzierungssystem stark, haben bisher aber kein Gehör gefunden.

Geringe Steuereinnahmen

Stickler entkräftet das Steuerargument. Bei Casinospielen betrage die Ausschüttungsquote 95 Prozent oder mehr, blieben also nur mehr 5 Prozent Bruttospielertrag oder knapp 1 Mrd. Euro als Steuerbasis. Bei einem Steuersatz von im Schnitt 20 Prozent würden EU-weit also wahrscheinlich weniger als 200 Mio. Euro an den Fiskus gehen. "In Österreich würden es nicht viel mehr als 10 bis 20 Mio. Euro sein", rechnet Stickler vor.

Das heimische Finanzministerium beziffert nicht, wie viel an Steuereinnahmen es sich erwartet. Im Steuerreform-Vortrag an den Ministerrat von vergangener Woche wird lediglich die "Bekämpfung von illegalen Online-Glücksspielportalen durch Internetsperren" als Unterpunkt der Maßnahmen gegen Steuerbetrug angeführt. Der Posten soll insgesamt 100 Mio. Euro einbringen, eine weitere Maßnahme ist zum Beispiel die Eindämmung des Karussellbetrugs.

"Es geht bei der Sache nicht um budgetäre Maßnahmen, sondern um den Spielerschutz", hieß es im Ministerium am Montag auf APA-Anfrage. Die Idee sei, dass man gemeinsam mit der EU gegen illegale Glücksspielanbieter im Internet vorgehe. In Österreich laufe derzeit eine Evaluation zu den effektivsten Maßnahmen, die das Finanzministerium bei der Uni Graz beauftragt habe. Im zweiten Quartal 2015 soll der Bericht vorliegen.

Kein Vorgehen gegen Online-Anbieter

Warum der Gesetzgeber bisher nicht gegen Online-Glücksspielanbieter vorgegangen ist, lässt das Finanzministerium unbeantwortet. Auf die Frage, ob bwin.party oder bet-at-home illegal agierten, hieß es am Montag: "Die Österreichischen Lotterien sind die einzigen, die eine Lizenz haben."

Laut österreichischem Glücksspielgesetz (GSpG) hängt die Berechtigung für die sogenannten "elektronischen Lotterien" an der Lotterien-Lizenz - diese haben seit jeher die Österreichischen Lotterien inne, deren Portal win2day.at ein wahrer Umsatztreiber ist. Die Plattform kommt auf einen geschätzten Marktanteil von 50 Prozent.

Wie in Österreich Glücksspielportale blockiert werden sollen, steht noch in den Sternen. Kritiker meinen, Internetsperren seien leicht zu umgehen. "Verbieten kann ich alles. Wenn ich es nicht kontrollieren kann, ist es nicht sinnvoll", sagt etwa Helmut Kafka vom österreichischen Automatenverband. Kafka hält das österreichische Glücksspielmonopol für klar europarechtswidrig. "Nur eine einzige Konzession zu vergeben, ist immer indirekt eine staatliche Subventionierung einer privaten Firma." In Österreich habe die Zahl der Lotto-Annahmestellen rasant zugenommen, auch die Preise seien erhöht worden, kritisiert er gegenüber der APA. "Die Leute werden ausgebeutet anstatt vorm Glücksspiel geschützt."

IP-Blocking: Türkei als Vorbild

Lotterien-Vorstand Friedrich Stickler lässt Umgehungseinwand nicht gelten. "Die Türkei hat ein ziemliches rigides IP-Blocking. Dort haben sie als Amateur keine Chance, diese Seiten anzuklicken." Freilich sei es Spezialisten möglich, die Sperren zu knacken, aber "es würde schon genügen, 80 bis 90 Prozent der Zugriffe zu blockieren."

Neben IP-Blocking gebe es noch andere durchaus erfolgsversprechende Möglichkeiten, die Leute vom Online-Zocken abzuhalten. Belgien und Frankreich hätten beispielsweise Werbeverbote erlassen - bestraft würden die Medien. "Das wirkt sehr gut. Die illegalen Anbieter verlieren damit ihre Sichtbarkeit."

Werbeverbot

Das Thema Glücksspielwerbung wird auch in Österreich heiß diskutiert. Zum Jahreswechsel, als Wien das Automatenspiel verboten hat, ist da auch der ORF in Kritik geraten, weil er es zulasse, dass zum Beispiel der schwedische Anbieter Mr. Green oder die britische William Hill offensiv im Fernsehen werben. Das Argument des Fernsehsenders: Beworben werde nicht die Glücksspielseite mrgreen.com, sondern mrgreen.at. Auf letzterer könne nur ohne Geldeinsatz gespielt werden, so ein ORF-Sprecher zur APA. Dasselbe gelte für William Hill. Stickler jedenfalls würde es "sehr begrüßen, wenn Mr. Green in Österreich nicht mehr werben könnte."

Für den Präsidenten der Europäischen Lotterien ist klar: Wer keine österreichische Lizenz hat, agiert illegal. Seine Hoffnung setzt er nun auf eine Konvention des Europarats zum Thema Match Fixing (Wettbetrug beim Fußball): "Hier wird festgehalten: ein illegaler Anbieter ist ein Anbieter, der in dem Land, wo er anbietet, keine Lizenz hat", erklärt Stickler. Die Konvention sei bereits von 17 Ländern unterzeichnet worden, auch die EU und Österreich sollten laut Stickler bald unterschreiben.

De facto sind die Bestrebungen der EU zur Regulierung des Online-Glücksspiels im Sande verlaufen. Der frühere Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat im Herbst 2012 einen Aktionsplan vorgelegt, Mitte 2014 hat die Behörde dann - unverbindliche - Empfehlungen zum Thema Jugendschutz und Online-Glücksspiele herausgegeben. "Ein eher zahnloses Instrument", findet auch Stickler. "Das hängt damit zusammen, dass die EU-Länder gesagt haben, die Kommission hat sich nicht einzumischen." Stickler ist gegen eine Öffnung des Glücksspielmarktes von EU wegen, zu unterschiedlich sei die rechtliche Situation in den einzelnen Ländern.