"Wir wissen jetzt, dass wir nichts wissen“, zeigt sich der Gründer und Chef eines achtköpfigen Grazer Unternehmens, das sich auf Motion Design (Werbefilme, Image- und Musikvideos) spezialisiert hat, ratlos. Der Frust des Unternehmers wurzelt in einer Prüfung durch die steirische Gebietskrankenkasse über einen Zeitraum von fünf Jahren, an deren Ende eine satte Forderung in der Höhe von 100.000 Euro an Sozialversicherung, Steuern und Dienstgeberabgaben stand.

Existenzangst

„Ein halbes Jahr lang haben wir nicht gewusst, ob wir das wirtschaftlich überleben werden“, erklärt der Betroffene. Der Filmemacher hat seine fixe Crew freilich angestellt, beschäftigt aber regelmäßig Künstler (Darsteller) und Praktikanten auf Honorarbasis – die Krux: In vielen Fällen pochten die Prüfer der GKK darauf, dass es sich dabei nicht um selbstständige, sondern unselbstständige Arbeit handelte.

Der Unternehmer ist kein Einzelfall; immer wieder geraten kleine und mittlere Betriebe derart in ernste Existenzprobleme. Der Grazer fühlt sich zum einen von seiner Interessenvertretung, der Wirtschaftskammer, im Stich gelassen („Es gibt keine aufklärende Information“), er übt aber vor allem Kritik an der unklaren Rechtslage.
Dass das ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz) bei der Abgrenzung zwischen selbstständiger und unselbstständiger Arbeit sehr unbestimmt ist, bestätigt selbst die GKK, fügt aber an: Keinesfalls dürfe man auf Honorarbasis Beschäftigte zwingend als Selbstständige ansehen. Als Faustregel für unselbstständige Arbeit gelte: fixer Arbeitsort, vorgegebene Arbeitszeiten, Weisungsgebundenheit, Kontrollierbarkeit, persönliche Arbeitspflicht, Einbeziehung in eine Ablauforganisation, kein unternehmerisches Risiko, keine Gewerbeberechtigung etc.

In der Wirtschaftskammer ist man sich der unklaren und deshalb schwierigen Situation bewusst – und vor der in zwei Wochen anstehenden Kammerwahl nimmt Harald Schenner, Listenführer der Grünen, den Fall zum Anlass, einmal mehr die Zusammenlegung und Vereinfachung der Vielzahl an Sozialversicherungen und Krankenkassen zu fordern.

Kritik an der GKK

Außerdem sei der Bund als Gesetzgeber gefordert, klare Regelungen im ASVG zu schaffen. „Derzeit fehlt die Rechtssicherheit für Unternehmer.“ Schenner greift jedoch auch die GKK scharf an und wirft der Kasse „Willkür“ und „Diktat“ bei der Feststellung von Scheinselbstständigkeit vor, um sich auf diese Weise ein „Körberlgeld“ zu holen.
Das wiederum lässt die GKK nicht auf sich sitzen: „Wir sind weit weg von jeder Willkür, haben den gesetzlichen Auftrag zu prüfen und halten uns dabei an Gesetze und die Rechtsprechung der Höchstgerichte.“

Im Fall des Grazer Unternehmers sind von den 100.000 Euro Nachzahlung letztlich nur 10.500 Euro geblieben. „Nach dem ersten Schock hat der Prüfer zu uns gesagt, 100.000 Euro würden sicher nicht übrig bleiben“, erzählt er. In Gesprächen wurden die Fälle dann geklärt.
Ein bitterer Nachgeschmack bleibt dennoch und die Angst vor einer Prüfung: „Bei dieser schwammigen gesetzlichen Regelung könnte der nächste Prüfer das wieder anders beurteilen.“