Der bisher längste Streik beim Online-Versandhändler Amazon ist in Deutschland in die zweite Woche gegangen. Am Montagmorgen hätten etliche Beschäftigte an den Standorten Bad Hersfeld, Rheinberg, Leipzig und Graben ihre Arbeit niedergelegt, berichteten Regionalsprecher der Gewerkschaft ver.di. Österreich wird von Deutschland aus beliefert.

In Bad Hersfeld etwa versammelten sich den Angaben zufolge rund 70 Amazon-Mitarbeiter vor den Toren. Bis zu einer Streikversammlung sollten es laut ver.di rund 400 werden. Das seien weniger als in der vergangenen Woche, viele Kollegen hätten bereits Urlaub. Die Ausstände sollen bis Heiligabend (15.00 Uhr) anhalten. Danach verständige sich ver.di über eine mögliche Fortsetzung der Streiks.

Die Streikwelle bei Amazon hatte am vergangenen Montag (15. Dezember) begonnen. Am Sonntag gab es eine kurze Pause. In den insgesamt neun deutschen Verteilzentren arbeiten nach Unternehmensangaben in der Vorweihnachtszeit rund 20.000 Menschen.

Auch in Frankreich haben Beschäftigte des Online-Versandhändlers Amazon am Montag gestreikt. Die Beteiligung sei aber "extrem schwach" gewesen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Die Gewerkschaft CGT, die für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu dem Streik aufgerufen hatte, sprach von einer "kleineren Mobilisierung". Laut Amazon gab es keinerlei Auswirkungen auf das Vorweihnachtsgeschäft.

Kampf um Einzelhandelstarif

In dem seit 2013 andauernden Konflikt will ver.di Amazon zwingen, die Mitarbeiter künftig nach dem Einzelhandels- statt nach dem niedrigeren Logistiktarif zu bezahlen. Zuletzt hatte die Gewerkschaft wiederholt zu Ausständen aufgerufen. Amazon lehnt das strikt ab und führt keine Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft. Der US-Konzern sieht sich als Logistiker. Eine Einigung ist nicht in Sicht.

Verdi hatte die Streikpause ausgerufen, nachdem die Gewerkschaft bei Verwaltungsgerichten keinen Betriebsstopp am Sonntag in den Verteilzentren Bad Hersfeld und Leipzig durchsetzen konnte. Nach Auffassung von Verdi wären die zuständigen Behörden verpflichtet gewesen, ein Beschäftigungsverbot auszusprechen. Die Gewerkschaft hatte sich auf den Schutz der Sonntagsruhe berufen. In Bad Hersfeld und Leipzig arbeiteten jeweils mehrere hundert Mitarbeiter mit Sondergenehmigungen auf freiwilliger Basis auch am Sonntag.

Eine Sprecherin von Amazon betonte erneut, dass es trotz des Streiks keine Lieferverzögerungen gebe. Zu Mehrkosten des Konzerns durch den langen Ausstand wollte das Unternehmen keine Angaben machen.

Streit dauert schon drei Jahre

Der Streit der Gewerkschaft Verdi mit dem weltgrößten Online-Versandhändler Amazon zieht sich bereits seit  drei Jahren hin. Verdi fordert einen Tarifvertrag, der den Beschäftigten existenzsichernde Einkommen und Arbeitsbedingungen mit Schutzregeln zu Arbeitszeiten, Urlaub oder Pausen garantiert. Amazon lehnt Verhandlungen dazu bisher ab. Die Entwicklung im Überblick:

Dezember 2011: Bildung einer Tarifkommission in Sachsen. Verdi fordert die Aufnahme von Verhandlungen über einen Tarifvertrag des Einzel- und Versandhandels für die Amazon Distribution GmbH Leipzig.

Oktober 2012: Zweite Tarifkommission in Bad Hersfeld (Hessen).

März/April 2013: Urabstimmungen bei Amazon in Leipzig und Bad Hersfeld. Rund 97 Prozent der Verdi-Mitglieder befürworten Streiks.

14. Mai 2013: Mitarbeiter bestreiken den größten deutschen Standort in Bad Hersfeld und den Standort Leipzig einen ganzen Tag lang.

19. bis 21. September 2013: Erstmals dreitägiger Streik in Bad Hersfeld und Leipzig.

16. Dezember 2013: Verdi beginnt einen sechstägigen Dauerstreik im für Amazon wichtigen Weihnachtsgeschäft. Für Deutschland meldet der Konzern dennoch bis zu 4,6 Millionen Bestellungen pro Tag.

17. April 2014: Unmittelbar vor Ostern treten Beschäftigte erneut im Leipziger Lager und in den hessischen Verteilzentren in den Ausstand.

30. Mai bis 3. Juni 2014: Mehrtägige Arbeitsniederlegungen in Leipzig und Bad Hersfeld. Graben (Bayern) und Rheinberg (Nordrhein-Westfalen) kommen als dritter und vierter Streikstandort hinzu.

2. Juli 2014: Gewerkschaftsvertreter aus Polen, Tschechien, Großbritannien und den USA beschließen in Berlin, grenzüberschreitend für bessere Arbeitsbedingungen bei Amazon kämpfen zu wollen.

22. September 2014: Erstmals gleichzeitiger Streik in Leipzig, Bad Hersfeld, Graben und Rheinberg. Verdi kündigt an, die Ausstände noch auszuweiten und das Weihnachtsgeschäft treffen zu wollen.

18. Oktober 2014: Verdi ruft die Beschäftigten in Leipzig kurzfristig zu einem Streik auf. Mit dem Ausstand der Spätschicht an einem Samstag soll darauf hingewiesen werden, dass Arbeit zu ungünstigen Zeiten tariflich geregelt werden müsse.

27. Oktober 2014: Eine neue Streikwelle beginnt an fünf Amazon-Standorten: Neben Leipzig, Bad Hersfeld, Graben und Rheinberg wird auch Werne in Nordrhein-Westfalen bestreikt.

seit 8. Dezember 2014: Wieder wird mitten im Weihnachtsgeschäft an verschiedenen deutschen Amazon-Standorten gestreikt.