Wenn man in einer „Schokoladenmanufaktur“ groß wird, welche Schoko hat man da am liebsten?
JULIA ZOTTER: Meine allererste Lieblingsschokolade war die Milchcreme-Schoko und dann ganz lange die Käseschoko. Offiziell durfte ich jeden Tag eine Tafel haben, aber natürlich hab ich heimlich viel mehr gefuttert. Seitdem habe ich immer wieder meine Lieblingsschoko gewechselt, bis ich mittlerweile gar keine mehr habe. Weil ich sie alle esse.

Sie leben in Shanghai, weit weg von der Heimat. Wo fühlen Sie sich zu Hause?
ZOTTER: So richtig zu Hause fühle ich mich immer noch „daheim“, in der Südoststeiermark. Das ist der einzige Ort, wo ich mir mein Leben später vorstellen kann. Allerdings hatte und habe ich das Glück, dass ich schon ganz früh andere Orte, Kulturen und Menschen ganz hautnah miterleben konnte, sei es als Austauschschülerin in China, während meiner Forschungszeit in Brasilien oder als ich in Paris meine Ausbildung gemacht habe. Allein unsere Reisen zu unseren Partnerkooperativen ermöglichen und erfordern immer wieder ein totales, wenn auch kurzes Eintauchen. Es ist wohl ein Privileg, dass ich dadurch an vielen Plätzen Freunde habe – oder sogar auch „Familie“ – wo ich mich sofort wohlfühle, wo ich auch zu Hause bin.

Wie hat Shanghai Ihr Leben verändert?
ZOTTER: Ich bin jetzt schon seit fast zwei Jahren hier und mein Leben ändert sich mit dem Rhythmus des Schokotheaters, der Firma, meiner Heimat in Shanghai (lacht). Das Theater kann man sich so vorstellen wie die Manufaktur in Riegersburg. Man kann Schokolade probieren, es gibt unglaublich viel zu sehen. Ich bin seit dem Spatenstich hier, und es ist das erste Mal, dass ich etwas ganz allein aufbaue. Gut, ganz allein ist nicht wahr, aber am Ende ist es doch ganz und gar mein Eigen. Insofern dreht sich alles ums Theater, aber das Theater auch um mich.

Wie ist das Leben in Shanghai?
ZOTTER: Ganz gut, es gibt so viele Möglichkeiten, beruflich wie auch privat. Ich wohne mittlerweile zentraler als früher, weiter weg vom Theater – manchmal braucht man einfach Abstand.

War es immer Ihr Plan, einmal das Geschäft Ihres Vaters im Ausland zu führen?
ZOTTER: Ich bin ja zuerst in der Konditorei und dann in der Schokomanufaktur aufgewachsen, das prägt natürlich. Trotzdem wollte ich eigentlich, bis ich 16 war, Astronautin werden. Meine Eltern haben sich dem auch nie in den Weg gestellt, egal wie träumerisch ich war. Mit Schoko weiterzumachen, habe ich beschlossen, als wir begonnen haben, komplett auf Bio und Fair umzustellen. Damit haben wir den Sprung von einer kleinen Schokomanufaktur mit lokalem Ausmaß zu einer immer noch kleinen Schokomanufaktur mit globalem Wirkungsgrad geschafft. Wir haben Kakaobauern besucht, uns mit Landwirtschaft auseinandergesetzt, mit Produktionsprozessen, langsam unser eigenes Umfeld mitverändert.

Der Sommer in Österreich ist heuer sehr heiß: Wann wird es Ihnen zu heiß?
ZOTTER: Shanghai hat schon seine ganz eigenen Temperaturen. Es ist momentan heiß und feucht. Daran muss man sich erst einmal gewöhnen, im Regenwald ist es auch nicht anders.

Was macht Julia Zotter in der Freizeit?
ZOTTER: Mit der wenigen Freizeit geht sich doch ganz beachtlich was aus. Ich mag gar nicht einfach so heimgehen und dann herumsitzen. Ich unternehme fast jeden Abend etwas, treffe mich mit Freunden, gehe Essen, schaue mir neue Konzepte an. Mir ist das wichtig, dass ich eine Balance habe für mein Leben hier. Ich sehe das Schokotheater nicht unbedingt als Arbeit an, aber hart ist es trotzdem. Da tut es gut, immer wieder ein bisschen rauszukommen, abzuschalten und einfach das Leben zu genießen. Ich tue mir schwer, einfach stillzustehen, das ist zwar manchmal ermüdend, aber meistens ist es lustig.

Ihr Vater wurde als Schokolademacher bekannt. Wie ist Ihr Zugang zum Handwerk?
ZOTTER: Ich habe leider keine so praktische Ausbildung wie mein Vater gemacht, habe mir das alles eher zusammengestückelt. Zuerst einmal bin ich ja im Unternehmen aufgewachsen, mit allen Höhen, Tiefen, Problemen und Erfolgen. Das ist wohl die beste Schule. Meine Eltern lieben Essen, gute Produkte, das war immer ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Familienlebens. So bin ich in einem Umfeld mit ganz viel Kreativität aufgewachsen.

Und Ihre Ausbildung?
ZOTTER: Lehre habe ich keine gemacht, was aber auch nicht schlecht gewesen wäre, vor allem wo es ja jetzt die Kombination mit Matura gibt. So bin ich halt in ein Sprachgymnasium gegangen, was auch super war. Ich habe eigentlich Lebensmittel- und Biotechnologie studiert, bin aber noch nicht fertig. Nun, da war ich also, super Ausbildung theoretisch, ein bisschen eine Ahnung praktisch, aber von Anwendungswissen keine Spur.

Aber das haben Sie nachgeholt?
ZOTTER: Ich bin ans Cordon Bleu in Paris gegangen, der prestigesträchtigsten Akademie für französische Küche und Patisserie weltweit. Dort war ich dann fast ein Jahr lang, habe von ganz unten bis in die Meisterstufe gelernt, das volle Programm „Grand Diplom“. Ich habe in Cuisine als die Nummer Zwei des Jahrgangs und in Patisserie als Nummer Fünf abgeschlossen, das hätte es mir ermöglicht, ein viermonatiges Praktikum im Restaurant meiner Wahl zu machen.