Die Gesichter verfinstern sich bei den meisten, wenn man sie darauf anspricht. Österreichs Abfahrer lieben es nicht gerade, wenn ihnen die Generation vor ihnen, meist Teil der sogenannten „goldenen Generation“, für die Siege praktisch eine Selbstverständlichkeit waren, Kritik ausrichten. Oder besser, diese Kritik öffentlich äußern und nicht im direkten Gespräch. „Sie haben alle meine Nummer. Wenn sie Ideen haben, wie man etwas verbessert, dann sollen sie mich anrufen und es mir mitteilen“, grantelt etwa Hannes Reichelt und ergänzt: „Ich sage immer zu meinem Teamkollegen: Sollte ich einmal nach meiner Karriere so etwas tun, bitte ruft mich an und haut’s mir eine.“

Wie ein Elefant

Dabei ist Reichelt ja von der Kritik meist ausgenommen, wie auch Olympiasieger Matthias Mayer. Weil sie aber die neuen Leader der Mannschaft sind, bekommen sie trotzdem die Kritik zu hören. „Dabei sind wir gar nicht so schlecht. Klaus Kröll war 2012 Weltcupsieger in der Abfahrt, ich war im Vorjahr ab Bormio in jedem Klassiker auf dem Podest und habe in Kitzbühel gewonnen. Und Olympia-Gold gab es auch“, sagt Reichelt und ergänzt: „Auch mich zipft ein achter Platz in der Abfahrt an. Wir wollen alle besser sein.“ Dass es trotzdem rasch Kritik hagelt, ist grundsätzlich kein Problem für den 34-Jährigen: „So sehr auf uns draufgehaut wird, wenn wir nicht vorne sind, so hoch werden wir gehoben, wenn wir wieder gewinnen. Man wird da ein bisschen wie ein Elefant. Der hat auch eine dicke Haut.“ Und Reichelt hat auch gute Nachrichten für die Fans: „In Beaver Creek habe ich in einem Teilstück den ganzen Rückstand aufgerissen. Schuld war ein technischer Fehler, der ist ausgemerzt.“

Der Gröden-Komplex

Ob schon heute in Gröden (12.15 Uhr, live ORF eins), sei dahingestellt. Hier lief es zuletzt nie rund für den ÖSV. Seit 2010 gab es schwere Niederlagen. Wobei „Niederlage“ auch Definitionssache ist. Für Klaus Kröll etwa war sein Saisonstart „sehr gut. Mit Glück wäre ich zwei Mal in die Top Ten gefahren, dann wäre es weit über den Erwartungen.“ Der Steirer hat nach seinen Verletzungen im Sommer wieder in die Spur gefunden. „Die Richtung passt. Ich fahre wieder Schwünge, bei denen was weitergeht.“ Was fehlt? „Training. Aber es gibt ja kaum noch gute Verhältnisse. Eine Leier, die ich selbst nicht mehr hören kann, aber sie stimmt.“

Umso mehr grantelt der Routinier, wenn die Sprache auf die Kritiker kommt, die selbst Abfahrer waren: „Mir ist das wurscht, weil mit mir hat keiner geredet, geschrieben ist schnell etwas. Aber darauf lege ich keinen Wert, wenn keiner persönlich nachfragt.“

Matthias Mayer nimmt das alles mit Gelassenheit: „Es ist doch schön, wenn unser Sport so interessant ist.“ Er selbst spürt nach der Verletzung, dass die Form kommt: „Aber um zu siegen, da sind andere derzeit wohl noch zu stark.“

MICHAEL SCHUEN, ST. CHRISTINA