Für Matthias Walkner geht es seit einem Jahr steil bergauf. Bei seiner ersten Rallye Dakar musste er zwar aufgeben, sicherte sich dann aber den Rallye-WM-Titel für Motorräder und geht ab 2. Jänner als Mitfavorit in seine zweite Dakar.

Da konnte seine große Schwester Eva nicht nachstehen – sie holte sich den Titel bei den Freeride-Skifahrern. Zum Interview-Termin ins nass-kalte Kuchl kommen beide gut gelaunt. Eva von einem Einsatz in Meribel, Matthias vom Wüstentraining in Marokko. Bei Apfelsaft und Cappuccino wirken beide sehr entspannt. Keine Spur vom Ehrgeiz der Spitzensportler.

Was ist gefährlicher? Freeriden oder die Dakar?
EVA WALKNER: Kann ich schwer sagen. Bei mir sind es die externen Gefahren wie Lawinen und Gletscherspalten, die du nicht kontrollieren kannst. Wenn ich wo reinfahre, kann es schon sein, das eine Lawine abgeht und mich erwischt. Ich für mich selbst bin überhaupt nicht gefährlich unterwegs. Ich weiß sehr genau, was ich mache.
MATTHIAS WALKNER: Bei uns sind es die Tiere. Du fährst teilweise mit 140, 150 durch Waldtunnels, wenn da irgendwas rausrennt, schauts schlecht aus, da gehst du voll auf. Das Gefährlichste bei der Rallye sind die Stücke, wo du nicht auf einer Straße fährst, sondern durch den Wald, über Steine oder in der Wüste über Dünen. Da siehst du beim Rauffahren mit Vollgas ja nicht, ob es hinten genauso wieder sanft bergab geht, oder ob da plötzlich ein 10 Meter hoher Abriss ist. Da passieren auch tödliche Unfälle.

In Ihrem Sport kann jeder Fehler fatal enden. Ist da die Angst Ihr Lebensretter?
MATTHIAS: Bei mir ist der Respekt seit der Dakar im Vorjahr auf jeden Fall größer geworden, weil ich einige Rallys gefahren bin, gestürzt bin und gesehen habe, was passieren kann. Ich bin in Katar mit Tempo 120 gestürzt, weil sich das Motorrad bei einer Kante in der Kurve aufgeschaukelt hat. Zum Glück ist nichts passiert, aber ich habe jetzt ordentlich Respekt. Es gibt Dinge, die hast du nicht mehr unter Kontrolle.
EVA: Es ist brutal uncool, wenn man sagt, dass man Angst hat. Ich glaube aber, dass eine gesunde Angst, oder Respekt, sehr wichtig ist. Wenn ich keine Angst mehr habe, springe ich überall runter. Diese angstbefreiten Menschen leben alle oft nicht wirklich lang. Die Angst holt dich einfach runter und das ist wichtig. Ich habe immer ein bissl Schiss. Das brauche ich für meine Sportart. Zumal ich die Hänge ja vor dem Bewerb nicht fahren darf.

Wie geht die Familie daheim mit Ihren gefährlichen Sportarten um?
EVA: Ich erzähle der Mama einfach nicht alles. Sie weiß nur, wann ich einen Bewerb habe. Schlimmer ist es mit dem Matthias. Wenn er bei der Dakar ist, zittern und fiebern alle daheim vor dem Computer mit. Das zehrt.
MATTHIAS: Davon bekomme ich nichts mit. Eigentlich gehen alle gut damit um, nur die Oma hat nach der Dakar gesagt, ob ich das wirklich wieder machen muss.

Habt ihr Angst umeinander?
EVA: Ich habe Vertrauen in Matthias, weil er Sachen sehr gut einschätzen kann, besser als viele andere ist und nie übers Limit geht.
MATTHIAS: Solange nichts passiert, denkst du nicht dran. Ich weiß ja auch nicht, wo sie gerade runterspringt. Aber in Fieberbrunn hab ich das live gesehen. Da ist es mir schon ganz anders geworden.
EVA: Dabei war das noch ein leichter Hang.
MATTHIAS: Oder in Davos, wo du dir die Rippen gebrochen hast und die Lunge kollabiert ist.
EVA: Da wäre ich fast draufgegangen. Eine Rippe ist in der Lunge gesteckt, der eine Flügel ist dann komplett zusammengeklappt, dann kannst du nicht mehr schnaufen. Ich war komplett unterkühlt und musste eine Stunde auf den Helikopter warten. Ich hatte Riesenglück. Da sind mir zehn Kreuzbandrisse lieber.

Matthias und Eva Walkner
Matthias und Eva Walkner © Molidor

Würden Sie in der Formel 1 oder im Weltcup fahren und Weltmeister sein, wäre Ihre Popularität um ein Vielfaches höher als bei Dakar und Freeriden. Nervt das?
EVA: Im Motorsport brauchen wir einfach wieder einen Typen. Heinz Kinigadner kennt heute noch jeder, der sich nur am Rande mit Motorsport beschäftigt. Es geht um die Typen. Siehe Markus Rogan. Auf einmal haben wir alle Schwimmen geschaut. Es ist schwer mit unseren Sportarten gegen Formel 1 und Alpinski. Aber es war beim Etappensieg von Matthias bei der Dakar schon etwas los, jetzt stell dir vor, er gewinnt die Dakar.

Und selbst? Trauern Sie der gescheiterten Laufbahn als Slalom-Fahrerin nach?
EVA: Nein, ich bin da nicht so. Ich stehe auch nicht gern im Rampenlicht. Ich mach mein Ding und zieh das durch und wenn ich dabei noch ein bisschen Geld verdiene und über die Runden komme, dann passt das. Von der Wertigkeit ist das bei uns noch kleiner. Freeriden ist eine extreme Nische, auch wenn Freerider im Grunde die ersten Skifahrer waren. Global gesehen ist der Skisport ja auch klein. Wer kennt in Südamerika einen Skifahrer? Selbst in Barcelona? Mir geht es darum, dass ich meine Ziele erreiche und das habe ich getan.

Sie mussten beide lange auf den großen Erfolg warten. Hatten Sie nie Zweifel, ob das mit der sportlichen Karriere noch etwas wird?
EVA: Wenn du etwas mit Leidenschaft machst, zweifelst du nicht. Es ist nicht leicht in meiner Szene. Ich mache auch andere Projekte wie Filmdrehs und erledige auch meine Pressearbeit selbst. Nur mit Skifahren reicht es nicht. Aber auch im Weltcup hast du es schwer, wenn du nicht unter den besten 15 bist.
MATTHIAS: Mich haben die Jahre zwischen 2009 und dem MX3-Titel 2012 extrem geprägt. Finanziell war das so zäh. Ich habe gewusst, wenn ich mir weh tue, kommt keiner und hilft mir. Mir braucht keiner mehr was erzählen. Ich bin alt genug, dass ich mir von niemandem was gefallen lassen muss.

Denken Sie manchmal daran, was ohne den Sport aus euch geworden wäre?
EVA: Eigentlich nicht. Ich hätte dann sicher auch einen coolen Beruf.
MATTHIAS: Ich würde dem Ganzen sicher nicht nachweinen. Ich wäre dann wieder Testfahrer bei KTM oder hätte vielleicht so eine coole Arbeit, dass ich gesagt hätte: „Bah, und ich Trottel hätte fast das Rallyefahren angefangen.“
INTERVIEW: KLAUS MOLIDOR