A m Sonntag hat sich Ihr verhängnisvoller Sturz zum zweiten Mal gejährt. Wie haben Sie diesen Tag verbracht?

Hans Grugger: Dass der Sturz eine große Bedeutung für mich hat, ist klar. Ich war am Sonntag in der Kirche, dann bei meinen Eltern. Und am Abend habe ich lange mit meiner Freundin Ingrid telefoniert - da haben wir alles noch einmal besprochen.

Wie man hört, kehren Sie am Dienstag erstmals wieder zurück zur Mausefalle.

Grugger: Ja, weil es mir wichtig ist, dass ich alles im rennfertigen Zustand sehe. Das ist authentischer, um mir die Unglücksstelle in Erinnerung zu rufen.

Soll heißen, dass Sie einen Schlusspunkt setzen wollen?

Grugger: Irgendwie schon. Ganz abschließen ist aber erstens nicht mein Ziel und zweitens, zumindest für mein Empfinden, nicht das Richtige. Dieser Sturz gehört zu meiner Lebensgeschichte.

Sorge vor überbordenden Gefühlen?

Grugger: Ich bin selbst gespannt, was auf mich zukommt, aber ich habe gar keine große Angst, dass ich einen Weinkrampf oder Ähnliches kriegen könnte.

Was macht Sie da so sicher?

Grugger: Bevor ich mir erstmals meinen Sturz angesehen habe, hatte ich einen ordentlichen Bammel vor dem Drücken des Play-Knopfes. Aber was letztlich in mir hochgekommen ist, war recht emotionslos. Ich hatte keine wirkliche Beziehung dazu und ich habe gewusst, dass es dem Fahrer, der da so regungslos im Schnee liegt, inzwischen wieder recht gut geht.

Haben Sie zufällig auch den Sturz von Max Franz in Beaver Creek gesehen?

Grugger(verdreht die Augen und atmet tief durch): Ja, und diese Bilder sind mir unheimlich nahegegangen, da war ich emotional echt angeschlagen. Ich kann die Gefühle schwer beschreiben, aber der Stressfaktor war enorm. Noch dazu kenne ich den Max sehr gut.

Mussten Sie auch weinen?

Grugger: Das weiß ich nicht mehr. Ich war jedenfalls heilfroh und dankbar, dass es mein Körper nicht mehr zugelassen hat, dass ich mich je wieder eine Abfahrt hinunterstürzen muss. Aber ab und zu gibt es schon Momente, wo es mir die Tränen rausdrückt.

Zum Beispiel?

Grugger: Wenn ich im Fernsehen einen Bericht über einen Patienten mit Schädelhirntrauma sehe. Dann wird mir immer aufs Neue bewusst, welch großes Glück ich gehabt habe. Wenn die Rettungskette nicht derart optimal funktioniert und es nur fünf oder zehn Minuten länger gedauert hätte, wäre ich vielleicht tot oder ein Pflegefall. So geht es mir gut, auch wenn ich nach wie vor Defizite in der Aufmerksamkeit und Probleme mit der Fußkoordination habe.

Aufmerksamkeitsdefizite?

Grugger: Für Nichtwissende ist es, so glaube ich, nicht zu erkennen. Aber wenn ich einen stressigen Tag habe, werde ich gegen Abend unaufmerksam. Das kann so weit gehen, dass ich vor dem Fernseher sitze und nichts mehr aufnehmen kann.

Was Sie nicht davon abhält, Studiumspläne zu schmieden?

Grugger: Ich habe die Hotelfachschule abgeschlossen und muss erst die Studienberechtigungsprüfung ablegen. Geografie und Psychologie sind erledigt, bis Sommer fehlen noch Deutsch, Englisch und Biologie.

Und dann?

Grugger: Würde ich gerne Sport und Geografie auf Lehramt studieren. Mal schauen, wie mein Fuß mitspielt, denn die Aufnahmeprüfung ist nicht ohne. Gerade im Leichtathletikbereich habe ich noch ziemliche Defizite, weil die gestörten Nervenverbindungen die Schnelligkeit und Sprungkraft immens hemmen.

Wie würden Sie Ihr gegenwärtiges Lebensgefühl beschreiben?

Grugger: Sehr positiv. Mir taugt es, etwas zu lernen. Im Sommer habe ich erst richtig schwimmen gelernt, davor war ich unterwegs wie eine 70-jährige Oma. Ich hatte schon Panik, wenn ich mit dem Kopf unter Wasser musste. Inzwischen kraule ich ganz passabel und bin bereits in der Nähe des geforderten Limits für das Sportstudium. Das taugt mir total, weil es für mich auch eine Bestätigung ist, dass mein Körper noch lernfähig ist, dass man auch mit einer gewissen Behinderung etwas erreichen kann. Wenn etwas im körperlichen Bereich wieder funktioniert, ist das fast schöner, als ein Weltcuprennen zu gewinnen.

In Ihrer Wohnung steht ein Globus aus Puzzlesteinen. Gibt es einen besonderen Flecken bzw. ein Puzzleteil, den Sie bereits näher ins Auge gefasst haben?

Grugger: Ja, das Okavanga-Delta in Botswana. Darüber habe ich bereits so viel gelesen, da möchte ich unbedingt einmal hin. Die Flora und Fauna, einfach grandios. Auch Ushuaia an der Südseite der Großen Feuerland-Insel wäre ein Traum.