Bei manchen ging der Mund gar nicht mehr zu. Die Art und Weise, wie Marcel Hirscher auf den "Volle-Attacke-Modus" umschaltete, war atemberaubend. Und sie hätte auch leicht, wie am Vortag im Riesentorlauf, weniger glücklich enden können. Denn Hirscher hatte sich entschlossen, wie er später erklärte, "All in" zu gehen, wie es beim Pokern heißt. Er wollte nicht taktieren, nicht nachdenken, sondern angreifen.

Weil der achte Platz nach Lauf eins samt 0,87 Sekunden Rückstand nicht seinen Erwartungen entsprochen hatte. Hirschers Gegenrezept gegen die drohende Sieglosigkeit im Berner Oberland: "Alle Skrupel zur Seite schieben. Hosen runter und gib' ihm, ohne taktieren, kein Denken an Weltcup-Punkte. Schnick, Schnack, Schnuck." Oder anders: Siegen - oder fliegen. Hirscher: "Im Riesentorlauf bin ich dafür bestraft worden, diesmal wurde ich belohnt. Daran sieht man, wie knapp Sieg und Niederlage beisammen liegen."

Glücksgefühl

Und auch, wenn Hirscher das Siegen nun bereits gewöhnt ist, immerhin war es sein 16. Weltcup-Erfolg, der vierte in dieser Saison und der dritte im Slalom in Folge, so war dieser Sieg ein wenig anders. Hirscher war wieder der Jäger, der diesmal alle gejagten förmlich überrundete, diesmal schon unten im Ziel stehend jubeln durfte. "Das Glücksgefühl ist sehr groß. Es ist schön, wenn man für so ein großes Risiko mit einem Sieg belohnt wird", meinte der 23-Jährige. Und weiter: "Es war eigentlich relativ unschaffbar. Die Chance, dass ich durchkomme, war etwa 50:50. Zweimal hintereinander bringt man so einen Lauf ganz sicher nicht ins Ziel."

Es reichte ja einmal für den Sieg in Adelboden - da twitterte sogar Weltcup-Konkurrent Aksel Lund Svindal kurz und knapp, aber voller Anerkennung: "WOW! Marcel Hirscher!" Tatsache ist: Auch wenn Hirscher im Riesentorlauf im steilen Zielhang von Adelboden den erneuten Doppelsieg wie im Vorjahr vergab, ist er der große Sieger des Wochenendes. Denn die Erkenntnis: "Ich merke im Riesentorlauf erstmals seit der Materialumstellung, dass richtig was weitergeht." Soll heißen: Hirscher hat die Dominanz von Ted Ligety offenbar beendet, den Rückstand von Saisonbeginn aufgeholt. Und im Slalom ist er drauf und dran, die von Hermann Maier geäußerte Vorgabe zu erfüllen, um ein Seriensieger zu werden: Bis zur WM alle Rennen zu gewinnen.

Da kann Hirscher es mit Sicherheit verschmerzen, dass er nunmehr in elf technischen Bewerben in dieser Saison "nur" zehn Mal auf dem Podest gestanden ist. Für die klare Weltcupführung reicht es.