Thomas Muster weilt derzeit in Australien. Und sicher ist nur eines: Extra wird er keine Flasche Wein aufmachen. Denn der inzwischen 48-Jährige mag keine Jubiläen, es liegt ihm nichts daran, Vergangenes zu feiern, zurückzublicken. Und doch, der 12. Februar 1996, das war ein besonderer Tag in seiner Karriere, auch wenn er ihn, wie so viele andere Tage auch, auf dem Tennisplatz zubrachte, beim Daviscup in Südafrika. Es war aber aus anderer Sicht ein bemerkenswertes Datum: An diesem Tag spuckte die Tennisweltrangliste erstmals einen Österreicher als Nummer eins der Welt aus.

Thomas Muster war am Ziel. „Aber jeder weiß, dass mir Jubiläen nichts bedeuten. Aber die Nummer eins der Welt zu sein, das war immer ein Traum – und es ist etwas, das mir keiner mehr nehmen kann.“ Es war die „Spätfolge“ einer überragenden Saison 1995, in der Muster zwölf Turniere gewann, darunter das Grand-Slam-Turnier in Paris, und im Herbst vor allem das Hallen-Turnier in Essen samt Sieg über Pete Sampras. Seit Beginn der ATP-Tour hat diese Marke keiner mehr übertroffen – kein Federer, kein Nadal, kein Djokovic.

Nur Guillermo Vilas schaffte einst 16 Titel in einem Jahr, das war allerdings noch nicht unter der Patronanz der ATP. Aufgrund der Arithmetik des Computers dauerte es aber lange, bis Muster ganz oben stand. Sein Betreuer Ronnie Leitgeb erinnert sich: „Als es feststand, das war das Gefühl des Unglaublichen. Weil es unglaublich ist, was möglich ist.“

Eine neue Sphäre

Auch wenn sich Leitgeb nicht mehr an das genau Datum erinnern kann, im Gegensatz zum Finalsieg in Paris. „Ich hätte mich nicht mehr an den Tag erinnert. Aber die Dimension war eine andere. Der Sieg in Paris, all die Erfolge auf Sand, das ist eine Sache. Aber der Beste der Welt zu sein in einer Sportart, die auf der ganzen Welt gespielt wird, das ist eine unfassbare Leistung.“ Wie wahr: Viele österreichische Sommersportler, die ähnliche Sphären erreicht haben, gibt es nicht. „Wir hatten damals auch keine Orientierung in Österreich, danach gab es mehrere gute Tennisspieler.“

Raiffeisen-Grand-Prix 1996, Ehrung der Sportler des Jahres 95
Raiffeisen-Grand-Prix 1996, Ehrung der Sportler des Jahres 95 © GEPA

Auch Herwig Straka, Direktor des Stadthallenturniers, tut sich schwer mit der Einordnung: „Wenn man sich anschaut, welche Helden Federer, Djokovic, Nadal sind - dann bekommt man ein Gefühl. Wenn man bedenkt, dass damals die Beläge viel unterschiedlicher waren als heute, dass Sandplatz-Spieler auf Rasen oder in der Halle chancenlos waren, heute aber mitspielen, ist die Leistung noch höher einzuschätzen.“ Das mag das einzige Manko an Musters großer Karriere sein: Er bleibt die einzige Nummer eins der Welt, die nie ein Einzel in Wimbledon gewonnen hat. Was soll’s. Er war der Beste der Welt, sechs Wochen lang. Schwarz auf Weiß. Unmöglich, aber wahr.