Das Davis-Cup-Duell gegen Schweden – ein Pflichtsieg für Österreich?
JÜRGEN MELZER: Das ist so eine Sache mit Pflichtsiegen. Dieser abgedroschene Slogan „Davis Cup hat eigene Gesetze“ trifft leider zu. Aber wir sind der Favorit, auch von den Ranglistenplatzierungen her. Elias Ymer ist ein großes Talent mit seinen 18 Jahren, aber auch er darf kein Stolperstein sein. Alles andere als ein Sieg wäre eine Riesenenttäuschung.

Was erwarten Sie sich vom neuen Davis-Cup-Kapitän Stefan Koubek?
MELZER: Wir haben schon den einen oder anderen Davis-Cup-Fight miteinander erlebt. Der einzige Unterschied ist, dass er diesmal nicht mehr als Spieler auf dem Platz steht. Stefan hat das Know-how, ist motiviert, locker und weiß genau, was wir brauchen.

Dominic Thiem hat abgesagt. Eine Lücke im Team?
MELZER: Natürlich wäre es mit Dominic leichter. Wir hätten im Einzel noch mehr Möglichkeiten. Aber man kann ihn nun einmal nicht zwingen, Davis Cup zu spielen. Und ich bin der Letzte, der sich darüber aufregt. Wir haben nach dem letzten Mal, als alles so hochgepusht wurde, sehr viel daraus gelernt. Er spielt nicht, that’s it – und es geht weiter.

Gerald ist ebenfalls nominiert. Ein Bruderdoppel gegen Schweden?
MELZER (schmunzelt): Da müsste schon einiges passieren, denn da ist Alex Peya doch fix gesetzt.

Das Davis-Cup-Team hat seine goldenen Zeiten, wie man so schön sagt, schon länger hinter sich. Wer könnte Österreich zu altem Glanz verhelfen?
MELZER: Na ja, wir haben 2012 im Viertelfinale gespielt, das ist für eine Nation wie Österreich nicht schlecht. Danach kam vieles zusammen, wir hatten auch so gut wie keine Heimpartien und auf der anderen Seite waren die Leistungen einfach nicht in Ordnung. Es müssen alle an einem Strang ziehen, und solange das nicht passiert, wird es sehr schwer werden, dass wir uns wieder für die Weltgruppe qualifizieren. Ohne die Besten wird es eng.

Ein Blick auf die ATP-Tour: Sie sind wieder in den Top 100, wo wollen Sie hin? Sind die Top zehn noch ein Ziel?
MELZER: Ich bin nach meiner Schulterverletzung froh, dass ich wieder in den Top 100 stehe, denn nach der siebenmonatigen Pause war es schwierig, wieder Fuß zu fassen. Die Top zehn sind aber sehr weit weg und auch kein Ziel für mich, so realistisch muss ich schon sein.

Verspüren Sie von außen her Druck?
MELZER: Ich muss keinem etwas beweisen, am ehesten noch mir selbst. Ich war ganz oben, und wenn jetzt Leute sagen, dass ich aufhören soll, dann bleibt das doch noch mir überlassen.

Sie sind ein Spieler, der jeden schlagen kann, hatten aber auch unerklärliche Niederlagen. Wie können Sie sich die Unbeständigkeit erklären?
MELZER: Auf Englisch sagt man, ich war ein „flashy“ Spieler. Einer, der an guten Tagen jeden schlagen kann. Aber ich habe auch ein Spiel, dass ich, wenn es nicht funktioniert, gegen viele verlieren kann. Ich bin ein aggressiver Spieler, der nahe zu den Linien geht – und da kann an einem schlechten Tag viel danebengehen. Aber vor meiner Verletzung war ich sehr lange unter den Top 50, die meiste Zeit unter den Top 30, das ist schon eine gewisse Konstanz. Ich spiele jetzt 14 Jahre auf der ATP-Tour, das kann auch nicht jeder vorweisen. Okay, dass ich nicht kontinuierlich in den Top zehn war, lasse ich mir ankreiden. Aber dass ich sonst über ein Jahr hinweg nicht beständig war, das sehe ich nicht so.

Setzen Sie in punkto Trainingsplanung Prioritäten?
MELZER: Mein Hauptaugenmerk im Training ist sicher, dass mein Körper in Ordnung ist. Das habe ich in den letzten Jahren gelernt. Tennis spielen muss ich natürlich auch, aber das Wichtigste ist meine körperliche Verfassung.

Stehen Kitzbühel und Wien in Ihrem Turnierkalender?
MELZER: Klar. Bei den einzigen beiden ATP-Turnieren in Österreich möchte ich dabei sein.

Gab es schon einmal Gedanken, den Tennisschläger in die Ecke zu stellen?
MELZER: Ich stelle den Schläger erst dann in die Ecke, wenn ich das Gefühl habe, dass ich nicht mehr mitspielen kann. Oder, wenn ich nicht mehr gut genug bin, um mit den ersten 50 über einen längeren Zeitraum mithalten zu können. Für das ist mein Anspruch zu hoch und dann würde ich es auch sein lassen.

Was würden Sie denn am meisten auf der Tour vermissen?
MELZER: Die Leute, die man kennengelernt, und die Freundschaften, die man gefunden hat. Es macht mir nach wie vor Spaß, herumzureisen und verschiedene Städte zu sehen. Die Fans werde ich garantiert vermissen – es gibt schließlich nichts Schöneres als Applaus.

Gibt es einen speziellen Moment, der Ihnen besonders in Erinnerung bleiben wird?
MELZER: Puh, das ist sehr schwierig. Aber der Matchball gegen Novak Djokovic, als ich bei den French Open das Halbfinale erreicht habe, wird wahrscheinlich der größte Moment sein.

Was macht Ihre Frau nach ihrer Tennis-Karriere?
MELZER: Iveta hat letzten Sommer aufgehört und reist jetzt teilweise mit mir mit. Ich denke, nach so einer langen Karriere kann man sich schon einmal eine Auszeit gönnen.

Wie sieht es mit der Familienplanung aus?
MELZER: Kinder sind in nächster Zeit noch nicht geplant. Wenn man gerade aufgehört hat, wie Iveta, muss man sich nicht gleich in das nächste Abenteuer stürzen.

Haben Sie schon schon berufliche Zukunftspläne?
MELZER: Solange man noch spielt, ist das schwer zu sagen, aber ich werde wahrscheinlich im Tennis bleiben. Das ist der Bereich, indem ich mich am besten auskenne. Es wäre schade, die Erfahrungen nicht weiter zu geben. Im Sport bleibe ich bestimmt. Welche Angebote kommen werden und was sich entwickelt, sieht man aber erst nach der Karriere.

INTERVIEW: DENISE MARYODNIG