Dementsprechend groß war der Jubel des Schweizer Teams, das auf den Platz stürmte und sich in den Armen lag. Dieser Titel hatte dem 17-fachen Major-Sieger Federer noch gefehlt, nun ist Olympia-Einzel-Gold das letzte, große, ihm noch fehlende Ziel. Gemeinsam mit Stan Wawrinka hatte er 2008 in Peking Doppel-Gold geholt, doch auch die Leistung von Federer und Wawrinka beim Rekord-Davis-Cup in Lille war Gold wert. Wawrinka hatte am Freitag die wichtige 1:0-Führung für die Eidgenossen hergestellt, während ein noch von seiner Rückenverletzung verunsicherter Federer gegen Gael Monfils verlor.

Das Olympiasieger-Doppel Federer/Wawrinka stellte dagegen am Samstag mit einer sehr guten Leistung die Weichen zum Premieren-Titel. Federer setzte mit einem starken Auftritt gegen den anstelle von Jo-Wilfried Tsonga aufgebotenen Gasquet den Schlusspunkt zum 3:1-Auswärts-Erfolg der Schweizer. Das letzte Einzel wurde nicht mehr ausgetragen.

Und Federer wäre nicht Federer, wenn er im Moment des Triumphs nicht seine Teamkollegen in den Vordergrund heben würde. "Ich bin wirklich glücklich für alle Burschen im Team", sagte Federer. "Stan hat in den Jahren so viel Einsatz gezeigt und er hat unglaublich gespielt an diesem Wochenende. Das hat mir die Möglichkeit heute gegeben", ergänzte der Weltranglisten-Zweite. Sein Einsatz war wegen einer Rückenblessur, die ihn sogar auf das Endspiel bei den ATP-Finals in London vergangenen Sonntag hatte verzichten lassen, fraglich gewesen.

Federer war dem Davis Cup nicht immer zur Verfügung gestanden, so auch im Vorjahr als es im Play-off gegen Ecuador gegen den Abstieg gegangen war. "Dieser Titel ist nicht für mich, er ist für sie. Ich habe in meiner Karriere genug gewonnen. Ich brauche es nicht, um mein.. 'alles'.. zu komplettieren. Ich bin einfach nur für alle anderen glücklich." Darum trat Federer auch beiseite und ließ Kapitän Severin Lüthi und Wawrinka die Ehrenrunde mit der Davis-Cup-Trophäe drehen.

"Wir haben ein großartiges Wochenende erlebt, nach einer nicht einfachen Woche. Wenn wir Probleme haben, dann reden wir miteinander", erklärte ein erleichterter Wawrinka. "Vor dem Wochenende dachten die Leute, wir hätten eine Krise, aber wir sind immer ruhig geblieben. Bei den Franzosen war es genau umgekehrt. Roger hat unglaublich gespielt."

Auch der Schweizer Davis-Cup-Kapitän Severin Lüthi strahlte vor Freude. "Ich bin so glücklich, ich kann meine Freude kaum fassen. Es ist einfach verrückt. Auch wenn Roger der ist, der er ist, war es für ihn nach der Verletzung nicht einfach." Er habe Federer gesagt, er solle sich nicht auf den Sieg fokussieren, sondern Schritt für Schritt nehmen und konzentriert bleiben. "Alles ist gut aufgegangen in diesem Jahr, auch wenn es nicht immer einfach war. Wir mussten für diesen Erfolg kämpfen."

Lüthis Pendant bei den Gastgebern, Arnaud Clement, bestätigte am Sonntag, warum Jo-Wilfried Tsonga nicht eingesetzt wurde. Die Nummer eins der Franzosen hatte sich am Ende des ersten Einzels am rechten Arm verletzt. "Ich weiß nicht genau, was ich habe. Es ist schmerzhaft. Ich wäre so gerne auf den Platz gegangen. Aber mit dieser Verletzung wäre ich einfach nicht fähig gewesen, als unsere beste Chance auf den Sieg einzulaufen", sagte der ehemalige Wien-Sieger Tsonga.

Eigentlich war in Lille alles für den Gewinn des zehnten Titel der Grande Nation angerichtet. Auch der französische Präsident Francois Hollande war gekommen, um seine Nation siegen zu sehen. Doch am Ende musste die Rekord-Zuschauerkulisse die letztlich doch vorhandene Überlegenheit der Schweiz zur Kenntnis nehmen. Als 14. und kleinste Nation haben sich nun auch die Eidgenossen in die Siegerliste dieses so traditionsreichen Mannschafts-Wettkampfs eingetragen. Die Bedeutung dieses Titels für die Schweiz ist enorm, denn noch nie hatte sich Österreichs westlicher Nachbar in einer Weltsportart einen Titel geholt: Weder im Fußball noch im Eishockey oder auch nicht als Equipe im Springreiten hatte es Gold gegeben.