Mit der Bestellung von Ronnie Leitgeb als neuen ÖTV-Präsidenten ist die nächste Weichenstellung zur Modernisierung des Österreichischen Tennisverbands erfolgt. Im ÖTV-Präsidium, das mit nun vier statt bisher fünf Vizepräsidenten bestückt ist, spricht man von einer Aufbruchstimmung, die nicht zuletzt auch vom erstmaligen Viertelfinaleinzug des Davis-Cup-Teams nach 17 Jahren ausgelöst worden ist.

Einer dieser Vizepräsidenten ist auch weiterhin Novomatic-Generaldirektor Franz Wohlfahrt, der über den Nachfolger von Ernst Wolner als Präsident sehr froh ist. "Ronnie als personifizierte Tennis-Kompetenz in Österreich vorstellen zu müssen, ist nicht notwendig. Wir erwarten, dass er diese Kompetenz, die er über drei Jahrzehnte erworben hat, mit Dynamik und Schwung in den Verband transportiert und er als Leitfigur vorangeht", sagte Wohlfahrt, der auch die Verjüngung im Präsidium begrüßt.

Rund 50.000 Jugendliche im Verband

"Nach dem Davis-Cup-Erfolg über Russland ist eine Aufbruchsstimmung spürbar im Verband", meint der für den Breitensport zuständige Wohlfahrt, dem es ein großes Anliegen ist, die Jugend zum Tennis-Sport zu bringen. Immerhin verfügt der ÖTV als zweitgrößter heimischer Sportverband über rund 172.000 Mitglieder, von denen 70.000 Meisterschaft spielen. "Wir haben gesamt etwa 50.000 Jugendliche im Verband und es ist sehr erfreulich, dass diese Zahl im Vergleich zum Vorjahr um 6 Prozent gestiegen ist", freut sich Wohlfahrt. Die diversen Aktivitäten in Schulen und Kindergärten zeigen erste Früchte.

Auch der vor einigen Jahren eingeführte Aktionstag "Ganz Österreich spielt Tennis" (GÖST), der heuer am 28. April stattfindet und an dem in rund 300 Vereinen Interessierte Tennisluft schnuppern können, ist ein Erfolg. Doch die Mission ist freilich noch nicht beendet, immerhin ist die Konkurrenz bei vermeintlich "cooleren" Sportarten, aber auch mit den Stubenhockern groß. "Unser Ziel ist es, die Jugend vom PC, vom Internet und aus den verdunkelten Zimmern zu Hause auf die Plätze zu bringen", sieht Wohlfahrt durchaus auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe im Breitensport. Die Anwältin und weiterhin Vizepräsidentin Constanze Emesz, die bisher für die Bereiche Recht und Frauen zuständig war, soll sich nun zusätzlich auch um die Jugend kümmern.

Wohlfahrt möchte den Ausbau des Handicap-Systems ITN (International Tennis Number) vorantreiben und noch mehr Spieler auf die Website www.playtennis.at locken. "Wir wollen erstmals eine einheitliche Spielstärkenklassifikation einführen", so Wohlfahrt. Aufgrund ausgewiesener Werte können sich dann Spieler gleicher Spielklassen im Internet verbinden und Matches vereinbaren.

Der Vorarlberger Tennis-Landesverbandspräsident Magnus Brunner ist nicht nur neuer Vizepräsident, sondern auch Vorsitzender des Austria Tennis Pools. Er wird sich um die interne und externe Kommunikation kümmern. Facebook und Twitter sollen schon bald zu auch für den etwas verstaubten ÖTV zu ganz normalen Kommunikationswegen werden, auch die Verbands-Homepage www.tennisaustria.at soll einen Relaunch erhalten.

"Club der Tennis-Freunde" soll kommen

Schließlich soll auch die tennis-affine Prominenz in Österreich eine Plattform erhalten. Neo-Präsident Leitgeb schwebt ein "Club der Freunde des österreichischen Tennis" (ähnlich wie jener im Fußball für die Nationalmannschaft) vor, in dem bekannte Persönlichkeiten mit Tennis-Interesse gebunden werden sollen.

Bei all der Dynamik, die im Verband für eine Modernisierungsspritze sorgen soll, darf freilich nicht vergessen werden, dass man auch bei besten Strukturen von den Individuen und dem Talent der Spieler abhängig ist, warnt Leitgeb vor zu hohen Erwartungen. "Mit der Erfahrung, die ich sammeln durfte, möchten wir eine Basis schaffen, damit dieser überdimensionale Erfolg, den das österreichische Tennis in den letzten 30 Jahren gehabt hat, auch in den kommenden Jahren möglich ist."

Eine Erfolgsgarantie, beispielsweise wie viele Österreicher auch in der Zeit nach einem Jürgen Melzer in der Zukunft in den Top 100 stehen sollen, kann es kaum geben. "Dieser Sport wird von Millionen Menschen auf der ganzen Welt gespielt. Jeden Österreicher, den wir in die Top 100 bringen, ist eine kleine Sensation", stellt Leitgeb klar. Außerdem gäbe es - auch in anderen Sportarten - stärkere und schwächere Jahrgänge. Einem Dominik Thiem traut Leitgeb aber zu, den Sprung in diesen Kreis in den nächsten drei Jahren zu schaffen. "Und wenn man einmal dort ist, kann man auch die Top 50 knacken."

Andreas Haider-Maurer, aktuelle Nummer 2 im rot-weiß-roten Herren-Tennis, begrüßt den Reformwillen im ÖTV. "Man muss sagen, es gehört definitiv etwas geändert, wenn man die letzten Jahre zurückblickt, was im ÖTV passiert ist. Mit Ronnie ist sicher der richtige Mann gewählt worden", sagte der Niederösterreicher, "er bringt die Erfahrung mit, die man braucht." Auch mit Neo-Davis-Cup-Kapitän Clemens Trimmel klappe die Zusammenarbeit einwandfrei. "Das hat Zukunft, darauf kann man aufbauen."

Haider-Maurer selbst ist nach ausgeheilter Knöchelverletzung optimistisch: "Bis zum Davis Cup bin ich hundertprozentig fit." Er verhandelt übrigens schon mit einem Nachfolger als persönlicher Trainer für Karel van Wyk. "Noch ist nichts fixiert, aber ich werde es wahrscheinlich nach dem Davis Cup bekanntgeben."