Am Samstag geht es los - Sie starten in Ihre erste Tour de France, das größte, wichtigste und härteste Radrennen der Welt. Ein großer Schritt, oder?

GEORG PREIDLER: Natürlich ist das wie ein großer Traum, der in Erfüllung geht. Viele wollen bei der Tour am Start stehen. Gelingen tut es aber nur wenigen.

Wie kommt man denn so weit?

PREIDLER: Man muss sich ein Team ein bisschen vorstellen wie ein Wolfsrudel. Da gibt es eine Hierarchie, wo man sich hochdient. Ich bin das vierte Jahr in der Mannschaft, ich habe auch ganz unten angefangen, als Helfer. Man muss sich das Vertrauen der Teamkollegen erarbeiten. Wenn du die Arbeit gut erledigst, immer für den Leader arbeitest, dann wird das auch honoriert mit der Zeit.

Viele glauben ja, dass es immer nur darum geht, als Erster im Ziel zu sein. Was also heißt "die Arbeit leisten"? Treten müssen doch alle?

PREIDLER: Das schon. Aber der, der ganz vorne fährt im Feld, der tritt mit 100 Prozent. Der dahinter braucht im Windschatten nur noch 70 Prozent. Und irgendwo im Feld muss man nur noch mit 40 bis 50 Prozent treten, um mitzukommen. Arbeit, das heißt, an der Spitze zu fahren für seinen Leader, der fünf bis sechs Positionen dahinter Kräfte spart.

#tourdefrance presentation! Thanks #utrecht for the amazing atmosphere! #keepchallenging

Ein von @preidi gepostetes Video am 2. Jul 2015 um 12:24 Uhr

Was ist also Ihre Aufgabe?

PREIDLER: Eine, auf die man das ganze Jahr hinarbeitet. Ich fahre das ganze Jahr über die Rennen mit den Fahrern, die auch bei der Tour zusammen fahren. Man muss dann wissen, wie der Leader denkt, wann er pinkeln gehen will, wann er eine Trinkflasche braucht. Ihn dann zurückführen ins Feld, ihm Flaschen holen. Meine Aufgabe ist es, mich den ganzen Tag um Warren Barguil und Tom Dumoulin zu kümmern.

Was können die denn erreichen?

PREIDLER: Dumoulin kann den Prolog gewinnen, dann hätten wir sogar das Gelbe Trikot zu verteidigen. Und Barguil, mein Zimmerkollege, ist einer der talentiertesten Fahrer, der kann im Gesamtklassement auch unter die ersten zehn kommen. Wenn man da helfen kann, ist das auch gut für die Zukunft. Ich denke, er kann die Tour auch einmal gewinnen. Und dann haben wir den Deutschen John Degenkolb im Team, der auch für Etappensiege gut ist. Auch für ihn werde ich arbeiten.

Also fahren Sie nicht auf Sieg . . .

PREIDLER: Ich hoffe, dass ich vielleicht einmal in eine Fluchtgruppe mitgehen darf. Wir haben da zwar ein paar Leute, die das können, aber fragen werde ich.

Was ist an der Tour de France so anders?

PREIDLER: Keine Ahnung, ich war ja noch nicht dabei . . . Klar ist, dass alles anders ist. Die vielen Leute, der Stress, der dadurch aufkommt. Und dann auch noch der Etappenplan.

Was ist mit dem?

PREIDLER: In der ersten Woche wurde offenbar auf Spektakel geachtet. Da gibt es die Mauer von Huy, die wir bei der Fleche Wallone fahren. Da gab es beim Klassiker schon viele Stürze. Dann ein paar Passagen aus Paris-Roubaix, samt Kopfsteinpflaster. Es ist extrem schwer, sehr hektisch.

Auch für Sie?

PREIDLER: Ich muss auf meine Chefs aufpassen. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe das ganz gut im Gefühl, sie im richtigen Moment an die richtige Stelle zu bringen. Die beiden vertrauen mir auch, sie bleiben immer an meinem Hinterrad.

Worauf freut man sich denn am meisten?

PREIDLER: Auf den Moment, an dem es vorbei ist. Im Ernst: Man wächst als Team zusammen, das ist was sehr Spezielles. Und wir im Team haben eine sehr gute Atmosphäre. Nicht so wie bei anderen Mannschaften.

Zum Beispiel?

PREIDLER: Ich war einmal zu einem Probetraining bei Liquigas eingeladen, auf einem Pass. Als ich da ankam, saßen alle Stars am Tisch - Vincenzo Nibali, Peter Sagan. Nibali schaute mich nicht einmal an, als ich ihm die Hand gab, fragte nur, ob ich Italienisch kann. Als ich verneinte, sagte er nur: "Geh nach Hause!"

Wie schwierig war es denn, ein Team zu finden?

PREIDLER: Die alten Geschichten - Stichwort Kohl, Pfannberger - haben uns Österreichern viel verhaut, obwohl wir guten Nachwuchs haben. Als ich dazu kam, hieß es oft, "Ahhh, die Österreicher . . ." Das hat mich geärgert, ich kann ja nichts dafür. Jetzt hat sich das alles wieder relativiert.

Drei Wochen Rundfahrt - wie lenkt man sich denn da ab?

PREIDLER: Ich habe mir ein paar TV-Serien auf den Laptop geladen, einfach nur zur Berieselung. Sonst hat man eh genug zu tun. Massagen, essen, das Rad einstellen, langweilig wird es nicht.