Startschuss in Utrecht, Startschuss in Wien – ab heute kann man sich vom Radsport verzaubern lassen. Vor den TV-Schirmen bei der Tour de France und den großen Stars des Sports, vielleicht sogar live bei der Österreich-Rundfahrt, die heute schon die Helden von morgen sucht. Einer ist in diesem Jahr nur Zuschauer. Bernhard Eisel, zehn Mal bei der „Tour der Leiden“ im Sattel, fand diese Saison keinen Platz im Sky-Aufgebot. Und weil sein Team abseits des härtesten Rennens der Welt eine Rennpause einlegt, ist er auch in Österreich nicht am Start. „Ich kann aber damit ganz gut leben“, erklärt der Steirer, „ich bereite mich stattdessen gezielt auf den Herbst und die WM vor“. Verfolgen wird der 34-jährige Wahl-Klagenfurter aber beide Rennen trotzdem ganz genau. Im Bewusstsein, dass „sein“ Sport die ganz schweren Zeiten offenbar hinter sich hat.

Das Interesse steigt

„Der Aufwind ist spürbar“, sagt Eisel, der das vor allem auf den Anti-Doping-Kampf zurückführt: „Wir sind die einzige Sportart, die wirklich alle Vorgaben der WADA umsetzt. Wir haben keine Leichen mehr im Keller, wir haben – im Gegensatz zur FIFA – auch alle Berichte veröffentlicht, in denen nach den Ursachen und Hintermännern gesucht wurde.“ Der Radsport habe „jeden Schlag hingenommen, den wir bekommen haben“, sagt Eisel.

Jetzt kommt es zur Trendumkehr. Mit einer Tour, die fordernd ist, die, wie es Direktor Christian Prudhomme ausdrückte, „die Geografie des Landes nützt“. Soll heißen: In den ersten neun Tagen geht es im Norden und nördlich von Frankreich durch alle Schwierigkeiten, die es gibt, dann in die Berge. „Die ersten neun Tage“, konstatiert Eisel, „werden die Hölle. Da muss man an die Intelligenz der Fahrer appellieren. Man kann auch mittelschwere Etappen normal fahren.“

Das Charisma fehlt

Die Gefahr lauert fast täglich: „Im Mannschaftszeitfahren wird nicht viel passieren, dafür ist es zu kurz. Aber wenn es in Belgien bei der Mauer von Huy einen Sturz gibt oder auf der ersten Passage auf Kopfsteinpflaster, dann kann das Rennen für einen Favoriten schnell vorbei sein“, weiß Eisel. Apropos Favoriten: Vier Mann sind es, die laut Experten die Tour unter sich ausmachen (siehe unten). Was allen fehlt: Charisma. Das besondere Flair, das die Generation vor ihnen umgab, auch wenn das durch Doping nachhaltig zerstört ist.

„Aber daran sind auch die Zeiten schuld. Wenn du die Tour de France gewinnen willst, lebst du 365 Tage dafür. Wenn du Freizeit hast, darfst du dich nicht zeigen, weil du in der Luft zerrissen wirst. Was soll sich da entwickeln?“, kritisiert Eisel und leistet sich einen Seitenhieb auf den Fußball. „Wenn ein Radfahrer betrunken mit dem Auto einen Unfall hat, dann braucht er nie mehr aufs Rad zu steigen. In anderen Sportarten ist das anders.“

Ewig schwierige Ö-Tour

In Österreich kann davon ohnehin keine Rede sein. Hier hat man sich zum Ziel gesetzt, die Jugend zu forcieren, den heimischen Talenten eine Bühne zu geben, auf der sie sich messen können. „Ich persönlich bin nach wie vor kein Fan des Termins zeitgleich mit der Tour de France“, sagt der Routinier. Er würde sich für die Rundfahrt eine Live-Übertragung auf Eurosport wünschen. „Es wäre schön, wenn auch die Touristiker die Werbewirksamkeit des Radsports besser erkennen. Denn die Rundfahrt wird dort gezeigt, wo auch die meisten Kunden herkommen.“

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Rein sportlich begrüßt Eisel die Änderungen bei der Rundfahrt. „Es tut sich was, das ist wichtig. Und wir haben bei der Tour de Suisse schon gesehen, dass in Feldkirch die meisten Zuschauer waren. So gesehen hat es auch wirklich Sinn, das Ziel der Rundfahrt dorthin zu legen.

Die einzelnen Etappen der Österreich-Tour in der Übersicht
Die einzelnen Etappen der Österreich-Tour in der Übersicht © APA

Leicht wird eine Österreich-Rundfahrt ohnehin nie, dazu haben wir zu viele Berge.“ Der Vorteil der Fahrt von Ost nach West: „Diesmal wird die Entscheidung über den Gesamtsieg erst auf der letzten Etappe fallen.“

von Michael Schuen