Eigentlich wollte Team Sky-Profi Bernhard Eisel Richtung Kalifornien-Rundfahrt aufbrechen. Stattdessen betrat der 34-jährige Routinier um 14.30 Uhr das Flugzeug von Laibach nach Nizza. Ohne Eisel als Road Captain wollte Mitfavorit Richie Porte nicht die 98. Auflage der zweitgrößten Radrundfahrt der Welt, der Giro d'Italia, in Angriff nehmen. "Sky Österreich" sprach mit Bernhard Eisel vor den 3.481,8 Kilometern in 21 Etappen vom 9. bis 31. Mai von San Lorenzo al Mare nach Mailand über Tifosi-Begeisterung, das Rosa Trikot und seine 8 Wochen alte Tochter.

Erst Dienstag kam die offizielle Nachricht von Team Sky, dass Bernhard Eisel – übrigens als einziger Österreicher – nun doch beim Giro d’Italia dabei ist. Waren Sie überrascht?
Bernhard Eisel: Ja, ich war ziemlich überrascht, weil meine Vorbereitung und Planung nach den Klassikern auf die Tour of California (Anm. 10. bis 17. Mai) ausgerichtet war. Doch plötzlich hat mich Richie Porte angerufen und gesagt, dass er mich unbedingt dabei haben will. Ich habe gesagt gut, dann fange ich jetzt wohl besser an zu trainieren. Nicht einmal dieser Scherz hat ihn umstimmen können.

Ihr australischer Teamkollege Porte will den Giro also unbedingt mit Ihnen gewinnen?
Eisel: Es sieht zumindest so aus. Es ist sein großes Saisonziel und natürlich das Ziel von Team Sky, das Rosa Trikot nach Mailand zu bringen. Richie ist tatsächlich in Top-Form, er hat nicht umsonst in dieser Saison Paris-Nizza, Volta a Catalunya und den Giro del Trentino gewonnen und ist die aktuelle Nummer 2 im UCI WorldTour Ranking. Richie und Contador sind die absoluten Top-Favoriten beim diesjährigen Giro. Die Jungs und ich werden Gas geben und alles tun, um Richie zum Sieg zu führen.

Was sind Ihre Aufgaben als Road Captain?
Eisel: Wir haben da eine ganz tolle Truppe beisammen, wo jeder genau weiß, welche Aufgabe er hat. Mit den meisten Jungs bin ich schon beim Giro oder der Tour de France gefahren. Meine Aufgabe ist es, das Rennen zu lesen, mich um Richie zu kümmern, ihn immer aus dem Gröbsten rauszuhalten. Ich treffe die Jungs am Mittwochabend in Nizza. Dann haben wir noch Zeit ein bisschen gemeinsam zu trainieren und uns gut auf die erste Etappe mit dem Mannschaftszeitfahren einzustellen.

Klingt trotz Ihrer kurzen Vorbereitungszeit ziemlich entspannt. Macht das die Routine von 17 großen Landes-Rundfahrten, oder gibt es noch immer Dinge vor denen Sie sich fürchten?
Eisel: Zum Fürchten hatte ich diesmal keine Zeit. Ich hatte tatsächlich keine optimale Vorbereitung, bin vielleicht auf 10 echte Trainingstage gekommen. Dennoch gehe ich da ziemlich entspannt an meine Arbeit heran. Es ist für mich so, wie wenn andere ins Büro gehen.

Ist der Giro die perfekte Vorbereitung für Ihren möglichen elften Tour-Start?
Eisel: Nicht unbedingt. Aber ich kann beides in einer Saison fahren, das habe ich schon öfter bewiesen. Bei mir geht es jetzt aber eher darum, meinen Saisonplan so auszurichten, dass ich für die WM in Virginia, auf die ich mich sehr freue, in Hochform sein kann. Das ist dann bei diesem umfangreichen Programm vor allem Kopfsache.

Sie sind 2002, 2012 und 2014 den Giro gefahren. Was hat sich verändert?
Eisel: Die Streckenführungen waren manchmal extrem. Heuer ist es, soweit ich gesehen habe, eine ausgewogene schöne große Landes-Rundfahrt. Der Giro ist in erster Linie Tradition und pure Begeisterung der Tifosi. Da hat sich in all den Jahren nichts daran verändert. Die italienischen Radfans stehen nach wie vor lieber vor als hinter den Absperrungen. Und nicht zu vergessen: Das Essen ist hervorragend und allein dafür lohnen sich die 3 Wochen Quälerei.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Eisel: Auf die Etappen in Jesolo und Treviso. Weil meine Frau mit unserer 8 Wochen alten Tochter da von uns daheim in Klagenfurt locker mit dem Auto zu Besuch kommen kann.