"Ich habe es gehasst, Toursieger zu sein. Und ich habe es gehasst, der Toursieger in einer Periode gewesen zu sein, in der sich alles nur um das Thema Doping gedreht hat.“

Es sind starke Worte von Bradley Wiggins, einem der erfolgreichsten Radprofis der Gegenwart, der sich aber nie in der Rolle des aalglatten Diplomaten gefiel. Der zu seinen Ecken und Kanten genauso steht wie zu den Schattenseiten, die der vierfache Olympiasieger mit den markanten Koteletten über Jahre durchleben musste.


Wiggins wurde 1980 als Sohn des australischen Bahnrennfahrers Gary Wiggins in Gent in Belgien geboren. Seine Mutter Linda zog mit ihm 1982 nach London, in den Problembezirk Kilburn, einem heruntergekommenen Industrieviertel, in dem Perspektivlosigkeit die Tagesordnung bestimmt.

Ein Einzelgänger sei er gewesen, einer, der sich nicht wie alle anderen für Fußball, sondern für Radsport interessierte. Wiggins musste auch die Bürde eines alkoholkranken Vaters tragen, der 2008 unter mysteriösen Umständen verstarb.


An all dem drohte er selbst im Sog von Depression und Alkoholismus zu zerbrechen. In der Zeit nach seinem ersten Olympiasieg auf der Bahn 2004 in Athen. „Erst die Geburt meines Sohnes Ben brachte mich wieder zur Besinnung“, sagte Wiggins später. Da hatte ihn die Queen nach seinen Triumphen im Jahr 2012 – erster britischer Tour-de-France-Sieger und Olympiasieger in London – bereits zum „Sir“ geadelt.

Abschied auf Pave

Am Sonntag nimmt der 34-Jährige Abschied vom Straßenradsport. Er wolle sich wieder ausschließlich auf die Bahnrennen konzentrieren, Olympia-Gold in Rio 2016 lautet das erklärte Ziel. Bereits das verletzungsbedingte Aus bei der Tour 2013 sei wie eine Erlösung gewesen. „Ich war die Affen auf meinem Rücken endlich los“, skizziert er den immensen Druck, den die Popularität mit sich brachte.

Seine letzten Straßenkilometer spult „Sir Wiggo“ beim Klassiker Paris–Roubaix herunter, der „Hölle des Nordens“. „Das Rennen ist ein Kindheitstraum von mir“, sagt der Sky-Profi. Vielleicht ist der finale Ritt durch die „Hölle“ aber auch ein symbolhafter Schlussstrich unter sein durchwachsenes Leben.

BIRGIT KAINER