Als der Schweizer Radprofi Fabian Cancellara 2010 in Spartacus-Manier binnen einer Woche die beiden schweren Frühjahrsklassiker, die Flandern-Rundfahrt und Paris-Roubaix gewann, brodelte die Gerüchteküche ordentlich über. Doch in diesem Fall wurden nicht die für den Radsport so gängigen wie unliebsamen Schlagwörter wie EPO, Bluttransfusion oder Kortison zur Diffamierung herangezogen – nein, in diesem Fall war erstmals von technischer Manipulation die Rede.


Ein in den Rahmen eingebauter Elektromotor soll dem eidgenössischen Drahtesel zusätzlichen Schub verpasst haben. Nämlich so sehr, dass die Konkurrenten optisch zu Spaziergängern degradiert wurden. Und in der Tat. Sah man sich das damals kursierende Youtube-Filmchen an, konnte man durchaus geneigt sein, der Theorie Glauben zu schenken.

Die untermauerte auch der italienische Ex-Profi Davide Cassani, der relativ anschaulich den Mechanismus des Elektromotors im Sattelrohr des Rades demonstrieren konnte. Der kleine Hilfsmotor, der via Knopfdruck am Bremshebel aktiviert wird, sei in der Lage, eine enorme Leistungssteigerung zu bewirken – von 60 bis 100 zusätzlichen Watt war die Rede.


Cancellara selbst dementierte die Anschuldigungen seinerzeit kopfschüttelnd. Schützenhilfe erhielt er von Experten, die unter anderem meinten, alleine schon das Motorengeräusch könne nicht zu überhören gewesen sein. Auch der damalige UCI-Präsident Pat McQuaid verbannte das Gerede ins Reich der Ammenmärchen. „Die Batterien haben die Größe eines Pakets Zucker, sie wären nicht unsichtbar“, meinte McQuaid zur Causa.

Räder-Razzia

Neue Nahrung erhielt das Gerücht um das „gedopte“ Rad nun wieder beim Klassiker Mailand-San Remo. Dort filzten italienische Carabinieri in Zusammenarbeit mit UCI-Inspektoren nach der Zielankunft nicht weniger als 36 Räder aus dem Peloton. Bis in die Einzelteile sollen die Profi-Rennmaschinen zerlegt worden sein, allerdings ergebnislos. Gefunden wurde nämlich nichts, was diese These stützen konnte.


Dennoch ist und bleibt der Weltradsportverband (UCI) mit dessen neu gewähltem Präsidenten Brian Cookson vorsichtig, wie der Ire gegenüber dem Portal cyclingtips.com.au bestätigte: „Unsere Information ist, dass es sich um eine reale Möglichkeit handelt. Wir haben zwar keine handfesten Beweise, aber wir sind uns absolut bewusst, dass diese Produkte existieren.“

Deshalb sei die UCI erpicht darauf, das womöglich nächste Level der unerlaubten Leistungssteigerung nicht zu verschlafen. Cookson: „Es könnte sich um ein potenzielles Gebiet des Betrugs handeln, deshalb haben wir entschieden, dass das etwas ist, was wir auf regelmäßiger Basis überprüfen müssen.

BIRGIT KAINER