Als die italienische Hymne dann schließlich gespielt wurde, da wirkte Vincenzo Nibali fast ein wenig verschüchtert. Und die Augen wurden zusehends feucht, er stieg von einem Fuß auf den anderen, ehe er sich dazu entschloss, doch zu genießen. Als erster Italiener seit Marco Pantani 1998 hatte er soeben die Tour de France gewonnen - und nicht nur das: Er hatte sie beherrscht, vier Etappensiege gefeiert. Er wurde seinem Spitznamen "der Hai" gerecht, hatte auf jedem Terrain die Lage unter Kontrolle. Er war nicht gestürzt wie seine vermeintlich größer Widersacher Christopher Froome und Alberto Contador, die aufgeben mussten. Fast acht Minuten Vorsprung hatte er am Ende. Und man hatte das Gefühl, es hätte mehr sein können.

Erfolg bei den großen Drei

Nibali zog sein Programm durch. Und am Ende stand ein Sieg, der ihn zu einem der komplettesten Rennfahrer macht: Immerhin hat er nun Gesamtsiege bei der Vuelta (2010), dem Giro d'Italia (2013) und der Tour de France auf seiner Palmarès stehen. Und damit hat auch sein Team die Gewissheit, dass der Italiener seine Gage wert ist. Drei Millionen Euro soll er von Astana kassieren. Und das eröffnet auch die schwache Flanke. Die Möglichkeit, in der offenen Wunde des Radsports zur bohren. Denn das Team Astana ist kasachische Staatsangelegenheit, es wird geführt von Alexander Winokurow - und der war zwar erfolgreich, aber auch erwiesenermaßen gedopt. Und der deutsche Werner Franke, Molekularbiologe und bekanntester Doping-Jäger, ja Systemkritiker des Radsports, meinte gegenüber der Deutschen Presse Agentur (dpa): "Der Rennstall Astana kommt aus einem korrupten Land und wird von einem der korruptesten Fahrer der jüngeren Zeit geführt. Das ist eine Bande krimineller Täter. Wer dem Radsport diesmal glaubt, muss bescheuert oder ein hartnäckiger Lügner sein."

Den Kontrollen sei Dank

Man kann diese Einschätzung teilen oder nicht, es bleibt eine Mutmaßung. Denn erwischt wurde Nibali nie. Und er selbst gab am Samstag, einen Tag vor der Triumphfahrt durch Paris, eher knappe Antworten zu diesem Thema. Auf die Frage, ob er allen in die Augen blicken könne und sagen, dass er seinen Sport sauber betreibe, meinte er: "Soll ich jetzt von meinen jahrelangen Entbehrungen berichten, denen ich mich unterworfen habe, um so weit zu kommen?" Und er ergänzte, dass es vielleicht den schärferen Kontrollen gedankt sei, dass er nun hier stehen dürfe, als "gelber Hai" sozusagen.