Bernd Eisel gilt im Radsportzirkus als "alter Fuchs". Dieser umgangssprachliche Terminus wird ihm nicht nur aufgrund seines 14. Jahres als Profi zuteil, sondern vor allem wegen seiner immensen Erfahrung und Routine. Der Hauptgrund, weshalb in seinem Team Sky, dem derzeit besten Rennstall der Welt, häufig auf ihn als "Road Captain" – der Mann, der die strategische Marschroute in einem Rennen ausgibt – gesetzt wird.

Fahrt ins Ungewisse

Darauf baut man auch im Nationalteam. Schließlich ist der 33-Jährige, der seine achte Weltmeisterschaft bestreitet, der, der einen Rennverlauf wie kein anderer lesen kann. Doch wenn es heute in Ponferrada auf den 254 Kilometer langen WM-Kurs geht, ist selbst er einmal zu taktischer Untätigkeit verdammt.

"Eine Weltmeisterschaft ist im Vergleich zu UCI-Rennen nicht einschätzbar. Das ist eine völlig eigene Geschichte. Da kann man sich keine Taktik zurechtlegen", sagt der Wahl-Klagenfurter. Das Erfolgsrezept zum Gewinn des Regenbogentrikots glaubt er aber zu wissen: "Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein." Und dahin gehend sei Österreich so gut aufgestellt wie nie zuvor. "Im Vergleich zu den großen Nationen wie Spanien, Italien oder Belgien, die je neun Fahrer nominieren dürfen, sind wir zwar Underdogs, haben dafür aber für jede mögliche Rennsituation ein oder zwei Fahrer parat."

Starkes Kollektiv . . .

Riccardo Zoidl und der Steirer Georg Preidler – den Bernhard Eisel übrigens am stärksten einschätzt – sind die beiden heimischen Speerspitzen, Matthias Brändle und Patrick Konrad jederzeit für Fluchtgruppen gut. Sollte es zu einem Sprintfinale einer größeren Gruppe kommen, hat wohl Marco Haller die schnellsten Beine. Eisel selbst? "Ich muss pokern. Für alles andere dauert meine Saison einfach schon viel zu lang."

2006 holte der Sky-Profi bei der Heim-WM in Salzburg mit Rang elf Österreichs zweitbestes Ergebnis der letzten Jahre. Ponferrada, die Hauptstadt der Provinz Leon und das letzte Stück des berühmten Jakobswegs nach Santiago de Compostela hat zwar mit Salzburg, speziell, was den Publikumsansturm betrifft, wenig gemein ("Bis auf ein paar Pilger ist es hier menschenleer"), dennoch zieht er hinsichtlich der Streckentopographie Parallelen. "Der Kurs ist ähnlich. Da hab ich mich im Vorfeld in die Irre führen lassen, denn jeder hat gesagt, er sei so unglaublich schwer."

. . . mit verwegener Wette

Ungemütlich kann es trotzdem werden. "Es ist schon wieder Regen angesagt", erinnert sich der Steirer mit Schrecken an die letztjährigen Titelkämpfe in Florenz, als die WM von sintflutartigen Regenfällen beinahe weggespült wurde. Doch auch da lieferten die Österreicher eine starke Performance ab.

"Vermutlich wird es heute nicht für eine Medaille reichen, aber für einen Top-Platz allemal", bleibt Eisel realistisch. Im unwahrscheinlichen Fall einer Sensation droht dem Sextett allerdings auch ein Bußgang. "Wenn einer von uns Weltmeister wird, gehen wir nach Santiago de Compostela. So haben wir's ausgemacht." Das wären dann zwar "nur" 200 Kilometer, die dann allerdings zu Fuß.