Die meisten Menschen wissen nicht, wozu sie sportlich fähig sind“, sagt Helmut Linzbichler und lächelt. Mit 74 Jahren könnte er es auf jeden Fall noch mit einigen jüngeren Läufern aufnehmen, aber das interessiert ihn nach Jahrzehnten des Ausdauer- und Extremsports nicht mehr. „In den ersten 20, 25 Jahren habe ich versucht, besser und schneller zu werden. Aber nun muss ich niemandem mehr etwas beweisen und es macht wesentlich mehr Spaß.“
Der sportliche Horizont Linzbichlers ist weit. Er hat vieles ausprobiert und viel erlebt. Mit den Jahren wurden die Distanzen immer länger und die Bewerbe immer härter. Wie oft ihn seine Frau Brigitta nach einem marternden Rennen gefragt hat, ob es jetzt nicht langsam genug wäre, kann er nicht sagen. Aber es war oft, sehr oft.

Am Sonntag wird sich für den Kapfenberger ein Kreis schließen: Nachdem er am 26. Oktober 1985 in Graz zum ersten Mal einen Marathon bestritten hat, wird er nach seinem 100. Jubiläum (1998) auch seinen 300. Lauf über die legendäre Distanz hier bestreiten. „Ich würde es gerne in 4:51 Stunden schaffen. Das wäre dann eine Stunde langsamer als bei meinem ersten“, sagt Linzbichler. Seine Gattin hat er mit dem Lauffieber längst angesteckt – sie läuft am Sonntag den Halbmarathon. „Irgendwann war es ihr zu langweilig, mich bis zum Start zu begleiten und dann stundenlang auf mich zu warten“, sagt Linzbichler.

Ausgelassen hat der pensionierte Hauptschullehrer in seinem sportlichen Leben nicht viel. Er war Fußballer und Trainer, Eishockeyspieler, Zehnkämpfer, Skifahrer, Flaschentaucher, Extremkletterer und, und, und. Mit der Besteigung der „Seven Summits“, der höchsten Berge der Kontinente, hat er sich einen Lebenstraum erfüllt, allerdings hat er mit der Extremkletterei heuer ebenso abgeschlossen wie mit Ultraläufen. Die Medaillen und Startnummern all seiner Rennen hat er feinsäuberlich sortiert und im Keller verstaut, denn „in der Wohnung war einfach kein Platz mehr“. Die Auszeichnungen, die er in seinem Leben erhalten hat, reichen von diversen Ehren- und Verdienstzeichen bis hin zur Verleihung des Berufstitels „Professor“ durch Bundespräsident Heinz Fischer.

„Wenn man sich vorbereitet, geht alles“, sagt Linzbichler, und der Marathon am Sonntag wird sicher nicht der letzte sein. Für das Himalayan 100 Mile Stage Race in Indien und den Tenzing-Hillary Everest Marathon (zum zweiten Mal) in Nepal hat er schon wieder eine Nennung abgegeben. Auf seiner „Liste“ fehlt Linzbichler sonst nichts mehr.