Vor einer Woche haben Sie in Paris eines der wichtigsten Turniere des Jahres gewonnen. Wie lang dauerte es, bis klar war: Es ist kein Traum?

BERND WIESBERGER: Schwer zu sagen. Ich war ja schon oft nah dran, mir meinen Sieg abzuholen. Es war nicht der erste, auch wenn der letzte schon ein bisschen lang her war. Deswegen war es zwar sehr schön, aber nicht mehr der große Traum. Es war ein Schritt, der die gute Entwicklung krönt.

Ihr Trainer Philipp de Busschere meinte einmal, das Ziel sei die Nummer eins der Welt. Ist das auch Ihre Einschätzung?

WIESBERGER: Persönlich ist man mit solchen Aussagen eher vorsichtiger. Klar ist: Es gibt Ziele, die wir haben. Die sind hochgesteckt, aber möglich.

Also die Nummer eins der Welt?

WIESBERGER: Wenn man sich Ziele zu hoch steckt, dann kann es auch in die andere Richtung gehen. Ich weiß, dass ich Potenzial habe. Aber es ist auch eine Frage des Glücks, der Konsequenz. Das heurige Jahr verläuft gut, aber . . .

Aber?

WIESBERGER: Ich bin auch nicht immun gegen schlechte Wochen. Im Golf kann es schnell gehen, ich hatte ja selbst auch schlechtere Ergebnisse. Das hat mich aber auch am Boden gehalten.

Dabei ist es Ihre Konstanz, die beeindruckt. Nur der Beste der Welt war öfter in den Top Ten als Sie. Gibt es da ein Geheimnis?

WIESBERGER: Eine gewisse innere Ruhe. Aufgrund meiner Erfolge habe ich nicht mehr den Stress, gut spielen zu müssen. Das befreit und ist wichtig. Gut spielen, das können alle. Aber hast du Zweifel, einen Moment Unsicherheit, büßt du Schläge ein.

Und dann?

WIESBERGER: Passiert so was wie in Paris. Meine Konkurrenten Jaco van Zyl und Maxi Kieffer haben noch keinen Sieg. Das ist im Hinterkopf, führt zu Stress und macht den Unterschied aus.

Und Sie gewinnen eines der wichtigsten Turniere und die „Welt“ schreibt: Sie sind ein Exot.

WIESBERGER: Das mit Sicherheit nicht! Wir sind auf der Golf-Landkarte, ich bin ja schon länger in den Top 50. Im Golf kann man gar nicht von Exoten reden. Das ist eine Weltsportart, überall wird professionell gearbeitet.

Sie haben mich nicht ausreden lassen. Die „Welt“ schrieb, Sie liegen in der Weltrangliste nur drei Plätze hinter dem Deutschen Martin Kaymer. Der ist ein Weltstar, aber Sie . . .

WIESBERGER: Im Vergleich zu Kaymer ist da ein Unterschied. Er hat zwei Majors gewonnen, Players Championship, Ryder Cup. Man kann sich einen guten Namen machen, indem man Turniere gewinnt. Ich bin da auf einem guten Weg, hoffe ich.

Und jetzt das Ende: Sie sind ein Exot – aber im eigenen Land.

WIESBERGER: Also die Leute, die sich aktiv mit Golf beschäftigen, die wissen schon, was ich mache.

Aber wenn Sie neben Marcel Hirscher spazieren, wird er doch öfter erkannt werden, oder?

WIESBERGER: Wären wir gemeinsam bei den British Open, sieht das schon anders aus. Österreich ist nun einmal eine Skination, wir haben wunderbare Erfolge. Der Golfsport ist noch nicht dort. Auch meine Erfolge ändern das nicht über Nacht. Aber die Bekanntheit steigt.

Dabei verdienen Sie mit dem Sieg in Frankreich auf einen Schlag so viel Preisgeld wie Marcel Hirscher in der ganzen Saison.

WIESBERGER: Ich will jetzt zwar nicht meine Steuererklärung ausbreiten, aber das mit der halben Million, da wäre ich vorsichtig. Das ist nur ein Brutto-Betrag.

Von dem was überbleibt?

WIESBERGER: Also zuerst kommt die Steuer. Der Spitzensatz in Frankreich ist 75 Prozent. Dann die Prämie für den Caddie, die Coaches, Kosten, an die die meisten nicht denken. Das steht nur nirgends, überall hört man nur Brutto-Beträge. Aber davon kann man nur träumen. Ich bin mir gar nicht sicher, ob von diesem Preisgeld überhaupt was überbleibt, wenn es blöd läuft.

Die Ranglisten im Golf werden aber nach dem erspielten Preisgeld gemacht . . .

WIESBERGER: Aber für mich ist Geld kein Motivationsfaktor. Aber natürlich ist es entspannter, wenn man Erfolg hat.

Was hat dann Geld für eine Bedeutung für Sie?

WIESBERGER: Ich kann mir gewisse Dinge leisten, ohne viel nachdenken zu müssen. Das bedeutet es de facto für mich. Aber nach dem Sieges-Putt in Paris habe ich mich über den Pokal mehr gefreut als über den Scheck. Und es ist wichtig, dass das so bleibt.

Bernd Wiesberger mit seinem Siegespokal bei den Open de France
Bernd Wiesberger mit seinem Siegespokal bei den Open de France © GEPA pictures

Also denkt man nie ans Geld? Nie daran, was ein verpatzter Schlag gekostet hat?

WIESBERGER: Danach werde ich oft gefragt. Aber das ist kein Gedanke. Es geht nur darum, wie ich den Ball schneller ins Loch bringe als die Konkurrenz. Man ist auf den Moment fokussiert, nicht auf die Zukunft. Obwohl . . .

Obwohl?

WIESBERGER: Ich bin in einer guten Situation. Ich habe mit dem Sieg in Paris meine Spielberechtigung auf Jahre abgesichert. Als Anfänger ist das anders. Auch ich war 2009 immer mit der Frage konfrontiert, ob ich genug Geld erspiele, um auf der Tour bleiben zu dürfen. Da ist das Thema Geld wirklich vordergründiger.

Weil der Neid hierzulande dazugehört und weil man immer liest, wie viel Golfer wie Woods verdienen: Suchen Sie schon nach der Villa in Florida? Dem Privatjet?

WIESBERGER: Also, ein Haus in Florida könnte ich mir vielleicht leisten. Ein kleines. Da stellt sich nur die Frage der Sinnhaftigkeit. Von einem Privatflugzeug bin ich aber noch weit entfernt.

Kommen wir zum Sport zurück. Ihre drei größten Stärken?

WIESBERGER: Ich habe mich mental sehr verbessert, bin viel ruhiger am Golfplatz. Mein Driving, also meine Abschläge mit dem Driver, hat sich verbessert. Vor allem, wenn es um Siege geht, kann ich mich darauf verlassen. Und dann ist da mein Eisen-Spiel.

Das Paul McGinley, 2014 Ryder-Cup-Kapitän, als eines der drei besten der Welt bezeichnet hat.

WIESBERGER: Es ist im Vergleich zur Weltelite zumindest stark genug, um mitzuhalten.

Wenn man so zuhört, wäre es nicht vermessen zu sagen: Bernd Wiesberger gewinnt diese Woche die British Open in St. Andrews!

WIESBERGER: Ich hoffe, dass diese Schlagzeile zutrifft. Aber wir reden da von einem Major-Turnier, wo die Besten der Welt antreten. Aber auf einem Platz, den ich kenne, was bisher bei den Majors nicht so war. Auf einem Platz, auf dem ich schon gut gespielt habe.

Die Diskussion in Österreich ist schon entbrannt: Ist Bernd Wiesberger mit dem Sieg in Frankreich nicht schon automatisch Sportler des Jahres in diesem Land?

WIESBERGER: Die Frage stellt sich für mich nicht. Ich bin nicht wild auf Auszeichnungen und Ehrungen. Ich bin froh, dass wir in Österreich so viele erfolgreiche Sportler haben. Und stolz, einer von denen zu sein, die gewählt werden. Aber es ist schwer, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Es muss aber verglichen werden. Was ist mit dem Argument, dass Golf eine Weltsportart ist, Skifahren aber nicht?

WIESBERGER: Natürlich wäre es eine große Ehre, wenn ich es werden würde. Aber auch Marcel Hirscher hat es verdient. Oder David Alaba. Ich bin froh, in einem Atemzug mit ihnen genannt zu werden. Aber es bleibt dabei: Äpfel kann man nicht mit Birnen vergleichen. Ich will meine Erfolge nicht mit anderen vergleichen. Der Sportler des Jahres wird von Sportjournalisten gewählt – warten wir ab, wie die meine Leistung einschätzen. Ich wäre froh, unter den Top drei zu sein. Oder den Top fünf.

INTERVIEW: MICHAEL SCHUEN