Herr Präsident, Sie selbst waren gerade das erste Mal in Rio de Janeiro, haben die Stätten der Sommerspiele 2016 inspiziert. Das Ende eines arbeitsreichen Jahres?
KARL STOSS: Es war wohl das intensivste Jahr überhaupt mit drei olympischen Wettkämpfen (zwei Mal Europäische Jugendspiele, dazu die ersten Europaspiele, Anm.). Und daneben liefen die Vorbereitungen für die Jugendspiele in Lillehammer sowie die Sommerspiele in Rio.

Diese Vorbereitungen sind immer Thema. Mit derselben Frage wie immer: Geht es uns hier wie in London 2012? Bleiben wir ohne Medaille? Und ist die Mission Rio ohne Medaille gescheitert?
STOSS: Natürlich! Der olympische Gedanke alleine reicht nicht mehr. Es ist zwar eine riesige Leistung, dabei zu sein, aber am Ende des Tages zählen Resultate, also Metall.

Das wie zu erreichen ist?
STOSS: Wir haben einiges unternommen: finanzielle Unterstützung für Vereine und Verbände gegeben, Ausrüstung beschafft, wie Ruder und Segel. Das ist teuer, aber wichtig, denn das Segelrevier gilt als extrem schwierig. Wir haben da etwa eigens Strömungsanalysten eingesetzt. Fazit: An der Vorbereitung kann es nicht scheitern. Aber am nötigen Glück kann es leider immer mangeln.

Ist es nicht ein Armutszeugnis für den österreichischen Sport, wenn der Skiverbands-Präsident Peter Schröcksnadel alle Fördergelder koordiniert?
STOSS: Man kann das auch positiv formulieren: Auch Schröcksnadel kann keine Medaillen garantieren, aber der ÖSV ist als Verband hochprofessionell, hochprofitabel, erfolgreich. Das kannst du nur erzielen, wenn du ein gutes Team um dich hast. Er hat Erfahrung. Und er selbst muss ja nicht der beste Segler werden, denn es geht darum, wie eine Organisation zu führen ist, um bestmögliche Leistung zu erbringen.

Das Paket für Rio 2016 war aber nur punktuell. Was dem österreichischen Sport nach wie vor zu fehlen scheint, ist ein Langzeitkonzept.
STOSS: Wir bringen Gedanken auf den Tisch, einiges haben wir schon durchgebracht. Wir sind daran interessiert, dass diese Umsetzung weiter stattfindet. Aber viele Strukturen im österreichischen Sport sind ja längst überholt. Da werden Ressourcen vergeudet.

Wie zum Beispiel?
STOSS: Die Aufgabenstellung der Bundessportorganisation ist so ein Thema: Seit es die Bundessportförderkonferenz gibt, haben sich viele Aufgabenbereiche des BSO erübrigt, die machen jetzt weniger – aber mit derselben Mannschaft. Man muss drüber nachdenken, ob es die BSO, ob man Hierarchien im Sinne der Dachverbände abschafft. Das wird allerdings ein Politikum. Wir als ÖOC wollen nicht hingreifen, weil wir keine politische Einrichtung sind.

Wer muss dann in die Gänge kommen?
STOSS: Uns vom ÖOC sind jedenfalls die Hände gebunden. Manche versuchen, an alten Urständen festzuhalten, weil sie Positionen bekleiden oder Versorgungspositionen suchen, aber das ist überholt. Aber jeder Monat, den man wartet, ist schade. Man sollte sich endlich an einen Tisch setzen und eine idealtypische Struktur für Spitzen- bzw. Breitensport ausschauen – diese beiden Dinge sollte man nicht vermischen.

Warum passiert das nicht?
STOSS: Es handelt sich offenbar um ein österreichisches Phänomen, dass man zuerst über Personen diskutiert. Ich komme aus der Wirtschaft, dort herrscht der Grundsatz: Structure follows strategy (Struktur folgt Strategie, Anm.). Also: Was wollen wir? Wo wollen wir hin? Was heißt das? Und dann kann man fragen, wer es machen soll. Bei uns ist das meistens umgekehrt. Aber man sollte diskutieren, ob ein Näherrücken von Sporthilfe und ÖOC, von BSO und ÖOC und Paralympischem Komitee, mit Deutschland als Vorbild, nicht sinnvoll ist.

Reicht das?
STOSS: Wir müssen auch über Professionalisierung nachdenken. Es ist nicht mehr zeitgemäß, das ÖOC wie einen Bienenzüchterverein zu führen. Wie komme ich etwa als Ehrenamtlicher dazu, mir alle Flüge selbst zu zahlen, meine Zeit zu opfern, aber als Privatperson haften zu müssen? Es muss in Richtung eines hauptberuflichen Vorstandes mit Aufsichtsrat gehen. Dazu müssen wir aber die Statuten ändern, dazu brauche ich alle olympischen Sportverbände.

Wird es Widerstand geben?
STOSS: Die Sinnhaftigkeit sieht wohl jeder ein. Und am Ende des Tages wird es auch darauf hinauslaufen, dass die Fachverbände diesem Modell folgen.

Zurück nach Rio – das Thema Sicherheit wird immer wichtiger. Inwieweit überschattet die weltpolitische Lage, der Terror, den Sport?
STOSS: Die Belastung wird immer größer. Terrorismus ist ein ständiger Begleiter, was wir im Flugverkehr gewohnt sind, wird auch bei Sportveranstaltungen Einzug halten. Das ist schade, weil es betrübt. Und möglicherweise wird der Sport für etwas verantwortlich gemacht, wofür man nichts kann.

Kann es sein, dass Olympische Spiele nicht durchführbar sind?
STOSS: Das befürchte ich nicht. Ausschließen kann man es aber nicht, wenn etwa biologische und chemische Waffen zum Einsatz kommen. Dann gute Nacht!

Sollte sich Österreich wieder für Olympische Spiele bewerben?
STOSS: Ich würde das positiv sehen, aber die Initiative muss von einer Gebietskörperschaft ausgehen. 2026 wäre die nächste Chance, da müsste man aber rasch aktiv werden. Sommerspiele würde ich aufgrund unserer schlechten Sport-Infrastruktur ausschließen.

INTERVIEW: MICHAEL SCHUEN, RIO DE JANEIRO