Haben Sie selbst die KTM RC16 getestet, mit der Sie 2017 in den MotoGP gehen?

STEFAN PIERER: Es gibt erst einen, der sie getestet hat. Ich werde das sicher in Zukunft auch nicht sein. Was jenseits der 260 PS liegt, ist nur für absolute Profis geeignet.

Mit Alex Hofmanns Rollout am Red Bull Ring waren Sie zufrieden?

PIERER: Er war sehr vielversprechend. Aus dem Rollout ist der erste Dauerstest mit fast 600 Kilometern geworden.

DIASHOW

Warten Sie in der Königsklasse gar nicht bis 2017, sondern starten 2016 mit Wildcard am Ring?

PIERER: Am Ring finden am 14. August nach über zwanzig Jahren wieder Moto-GP-Rennen in Österreich statt. Bereits jetzt ist alles ausverkauft. Wir als KTM haben uns im Infield 8000 Plätze in einer eigenen KTM-Arena gesichert. Dort werden wir unser MotoGP-Team vorstellen und vielleicht auch eine Ehrenrunde geben, damit man was sieht. 2016 werden wir im letzten Rennen in Valencia erstmals im MotoGP starten, 2017 dann volle Saison.

Wen bieten Sie 2017 als Piloten auf – Lorenzo, Marquez, Rossi?

PIERER: Man muss sich als Newcomer demütig die Ziele so stecken, dass sie realistisch sind. Honda und Yamaha sind mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrungen wohl vorerst außer Reichweite. Aber ich glaube, Suzuki ist unsere Benchmark. Wir wollen als erstes besser abschneiden als Suzuki. Und wir haben ja in der Moto3 erstklassige junge Piloten, Marquez ist dort ja auch einmal KTM gefahren, Casey Stoner war Vizeweltmeister. Wir werden mit einem Jungen aus der Moto2 kommen.

Nicht mit Miguel Oliveira, Ihrem Vizeweltmeister der Moto3?

PIERER: Es ist nichts auszuschließen. Es sind noch eineinhalb Jahre. Und schauen Sie dann einmal, wer nächstes Jahr in der Moto2 fährt. Da sind ein paar ganz gute Talente. Als Testfahrer für die laufende Saison haben wir wieder Mika Kallio geholt, der auch eine lange KTM-Vergangenheit hat.

Schmerzte es, dass Oliveira zwar das letzten Rennen in der Moto3 gewonnen hat, es aber nur zum Vizeweltmeister reichte? Ihr KTM-Slogan lautet ja: Es ist nichts schlimmer, als Zweiter zu werden.

PIERER: Ja, da ist das erste Halbjahr gemeinsam vergeigt worden. Er hat in den letzten sechs Rennen vier gewonnen und war zweimal Zweiter. Ein Rennen hätte man noch gebraucht, dann wäre alles in Ordnung gewesen.

Den Rollout des RC16 am Ring empfand ihr Team-Direktor Pit Beirer als "emotionalen Moment". Sie auch?

PIERER: Absolut. Das ist die höchste Klasse. Wir wollen der größte Sportmotorradhersteller weltweit werden und da heißt es, sich mit den ganz Großen zu messen. Das neue Reglement in der MotoGP ermöglicht es auch kleineren Herstellern, ganz vorne dabei zu sein. Die Elektronik wurde ja auf eine Einheitselektronik reduziert.

2003 bis 2009 war KTM werkseitig in der Königsklasse schon erfolgreich dabei, hat sich aber aus wirtschaftlichen Gründen zurückgezogen. Wegen der Finanzkrise oder weil sie das nicht rechnet?

PIERER: In der Finanzkrise 2009 mussten wir alles wegtun, was man nicht braucht. Die Marke KTM ist so stark im Rennsport, dass man auf gewisse Dinge ein, zwei Jahre verzichten kann. Wie wir uns wieder erfangen haben, sind wir 2011 mit dem neuen Reglement auch gleich Weltmeister in der Moto3 geworden. Wir geben rund 4,5 Prozent unseres Umsatzes für internationalen Motorsport aus.

Das sich aber mit Innovationen wieder rechnet. Die Weltmeistermaschine, sagen Sie, sollte ein Jahr später Serienmaschine sein.

PIERER: Das ist im Offroad so, nicht im Straßenrennsport, wo man fast Prototypen hat, aber gewisse Technologien fließen dann in die Serie.

Marc Coma, Dakar-Sieger
Marc Coma, Dakar-Sieger © (c) dapd (Martin Mejia)

Im Offroad-Bereich sind Sie geradezu unschlagbar, wenn man Dakar anschaut. Vierzehn Siege in Serie, heuer mit Marc Coma. Kriegen Sie da nicht selbst eine Gänsehaut?

PIERER: Jede große Serie kann einmal enden. Aber wir haben, was mich besonders motiviert, heuer mit Jonny Walker einen ganz jungen Österreicher als Rookie in der Enduro-Weltmeisterschaft. Er verbindet exzellente Fahrtechnik und Speed mit Klugheit. Rallyefahren heißt ja auch navigieren, Risikoeinschätzung und doch unter Druck bei hohen Geschwindigkeiten die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Ihre Vormacht zeigt sich auch darin, dass heuer von knapp 200 Startern bei der Rallye Dakar 88 Fahrer auf einer KTM saßen.

PIERER: Also 40 bis 50 Prozent Marktanteil. Das ist kontinuierliche Arbeit und das ist das Thema. Markenentwicklung heißt kontinuierliches, konsequentes Arbeiten und immer die Richtung beibehalten. Nicht verwässern. Immer scharf und klar.

Dass Dakar in Südamerika stattfindet...

PIERER: ... ist ein Riesenerfolg. Wir sind dort so bekannt. Es ist unbezahlbar. Sie müssen sich vorstellen, bei der Schlussveranstaltung sind bis zu eine Million Leute da in Argentinien.

Im ersten Halbjahr legte Ihre Cross-Industries mit den operativen Firmen KTM, Pankl und WP ein Rekordergebnis hin. KTM allein mit 515 Millionen Euro. Schafft KTM heuer die Milliarde?

PIERER: Ja. Heuer wird die Milliarde bei KTM durchbrochen. Wir werden insgesamt in der Gruppe bei ungefähr 1,25 Millionen bis 1,3 Milliarden Euro liegen. Wir werden ein wunderschönes Ergebnis haben. Es wird dreistellig sein. Wir brauchen diesen Erfolg, denn wir haben eine irre Investitionsrate. Wir haben heuer rund 100 Millionen Euro investiert und planen nächstes Jahr noch einmal 120 Millionen, speziell in Infrastruktur, Modellentwicklung. Wir haben ein großes Logistikzentrum gebaucht, das Motorsportzentrum wird fertig, Kapazitätserweiterungen und vor allem Modellentwicklung. Vor allem die Marke Husqvarna bietet uns die Möglichkeit, auf der Straße einen völlig anderen Markeninhalt als KTM zu bieten. KTM ist immer ganz klar "ready to race". Das ist Performance, das ist Design, das ist extrem, das ist halt Abenteuer. Bei Husqvarna wird es die andere Schiene sein, hier ist das Thema eher "new classic", "cool riding", "naked bike", skandinavisches, rundes Design. Also eher das nicht so aggressive Motorradfahren.

Was fahren Sie am liebsten?

PIERER: Oh Gott. Bei uns in der Gegend ist jetzt Elektro angesagt, weil man sonst nach Feierabend kaum noch fahren kann. Ich habe zum Glück ein Truppenübungsgelände vor der Haustür.


INTERVIEW: ADOLF WINKLER