Der Funkfrust von Weltmeister Lewis Hamilton in Baku sorgt weiter für Diskussionen: Geht das „Hilfeverbot“ in der Formel 1 zu weit? Oder liegt die Lösung ganz woanders – in einfacherer Technik? Der Brite flippte vor zwei Wochen am Boxenfunk fast aus. Verzweifelt versuchte er, von seinem Renningenieur Informationen darüber zu bekommen, wie er seine Motorprobleme und die „Warnhinweise, die ich alle fünf Sekunden auf meinem verdammten Armaturenbrett erhalte“, in den Griff kriegen könne. Nur, um immer wieder hören zu müssen, dass man ihm das angesichts der aktuellen Funkbeschränkungen leider nicht sagen dürfe.

Woraufhin einige Experten zu der Erkenntnis kamen, dass diese Einschränkungen zu weit gingen. Martin Brundle, der britische Ex-Formel-1-Pilot und heutige Kommentator, gibt zu bedenken: „Das Funkverbot wurde eigentlich eingeführt, um zu verhindern, dass die Fahrer zu viele Anweisungen bekommen, die das echte Fahren betreffen – ob taktischer Art wie über Strategien der Gegner oder technische wie Bremspunkte, schnellere Linienwahl etc.“ Aber das, worum es bei den heutigen hochkomplexen, elektronisch gesteuerten Antriebseinheiten und den entsprechenden Reglern und Anzeigen am Lenkrad ginge, das habe mit Rennfahren nicht mehr viel zu tun. Da müsse man eher IT-Experte als Rennfahrer sein, um damit richtig umgehen zu können.

Auch Mercedes-Sportchef Toto Wolff stellte die Frage, ob nicht ein bisschen mehr „Hilfe“ erlaubt sein müsse – zumindest eben dann, wenn es nicht um das Fahren an sich ginge. FIA-Präsident Jean Todt dazu: „Das Verbot bleibt – schließlich wurde es ja extra deswegen eingeführt, um mehr Spannung zu erzeugen.“
Was geht ab?

Jacques Villeneuve, der Weltmeister von 1997, findet vor allem deshalb das Ganze lächerlich: „Immer nur zu sagen, was man sagen oder nicht sagen darf, das ist doch albern. Dann müsste man den Funk komplett abschaffen.“ Was er aber angesichts der heutigen Technologie auch für kaum praktikabel hält. Weil kein Fahrer mehr verstehen könne, was da eigentlich abgehe. Fans, die meinen, früher seien die Piloten ja auch ohne Funkhilfen ausgekommen, gibt er zu bedenken: „Da gab es aber auch diesen ganzen Hightech-Kram überhaupt nicht. Was übrigens viel besser war!“

Das ist der andere Ansatzpunkt: Braucht man die hoch komplizierte Elektronik mit ihren fast unendlich vielen Einstellungsmöglichkeiten eigentlich wirklich? Würde die Formel 1 wirklich Fans oder ihr Image als Hightech-Formel verlieren, wenn es nur noch jeweils drei Einstellungen für Motor, Getriebe oder Differenzial gäbe? Wozu braucht man 14 Motorgrundeinstellungen, die dann durch die verschiedenen Untermenüs noch weiter differenzierbar sind? Vor allem wohl, weil die Ingenieure alles, was machbar ist, auch machen und für jedes Szenario die perfekte Lösung finden wollen. Aber ist das der Kern dessen, was die Formel 1 ausmacht? Vor allem, weil es ja sowieso kein Zuschauer mehr versteht?

Im Grunde sollten sich die Fahrer wieder mehr auf ihren eigentlichen Job, das Fahren, konzentrieren. Lewis Hamilton meinte in Baku, zeitweise haben sein „Kampf mit den Schaltern am Lenkrad“ schon gefährliche Züge angenommen, „weil ich kaum noch auf die Straße geschaut habe“.

Wobei es beim GP in Baku noch eine zwei Kilometer lange Gerade für solche Spielchen gab. Auf einer Strecke wie dem Red- Bull-Ring wäre so viel Knöpfchendrücken und -drehen noch deutlich heikler.

KARIN STURM