Mercedes hat wie erwartet den ersten Trainingstag
des Italien-GP in Monza dominiert. Dank der neuesten
Motoren-Ausbaustufe waren Lewis Hamilton und Nico Rosberg am Freitag unschlagbar und werden dies wohl auch im Rennen am Sonntag sein. Jeweils mit Respektabstand Drittschnellster war Sebastian Vettel im Ferrari.

Für Mercedes beginnt acht Rennen vor Schluss und mitten im Titelkampf zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten bereits die Testphase für das Jahr 2016. Um auch nächstes Jahr die seit dem Vorjahr bestehende Dominanz sicherzustellen, hat man vor dem Hochgeschwindigkeits-Rennen in Italien die letzten sieben Tokens auf einmal eingesetzt und zündet im Autodromo Nazionale jene Power Units, die als Basis für die 2016er-Triebwerke gelten.

Herz der Entwicklung ist der (dritte)  Verbrennungsmotor. Diese Ausbaustufe steht aber vorerst nur Mercedes AMG und nicht den Kundenteams Lotus, Force India und Williams zur Verfügung. Hamilton lag im ersten Training klar vor Rosberg und dem Rest, am Nachmittag kam wenigstens der Deutsche im zweiten "Silberpfeil" bis auf 21 Tausendstel an die Hamilton-Zeit heran.

Ganz anders läuft es bei Red Bull. Zwar ist das Chassis des RB11 im Gegensatz zur ersten Saisonhälfte deutlich besser geworden, wegen der Renault-Motorenkrise wird sich das austro-englische Team in Monza dennoch am Ende der Startaufstellung wiederfinden.

Man hat sowohl bei Daniel Ricciardo als auch beim Russen Daniil Kwjat erneut mehrere Antriebs-Komponenten gewechselt, was für Kwjat zumindest ein +15 und für Ricciardo ein +25 in der Startaufstellung bedeutet. So gesehen waren auch die vielen technischen Probleme am Freitag belanglos. Auch beide McLaren sowie zumindest ein Toro Rosso kassieren in Italien viele Strafplätze.

Monza-Siege und Ferrari

Michael Schumacher hat es am öftesten getan, Gerhard Berger 1988, Fernando Alonso vor fünf Jahren als Letzter. Und Sebastian Vettel wäre gerne der Nächste. Ein Monza-Sieg in einem Ferrari ist für einen Formel-1-Piloten wahrscheinlich das Größte. Niki Lauda hat 1975 zwar nicht gewonnen, aber dort vor exakt 40 Jahren mit Ferrari seinen ersten Weltmeistertitel geholt. 200.000 Tifosi jubelten mit.

Als "unvergesslich" beschreibt der Österreicher seine Erinnerungen an den 7. September 1975, als er beim  Ferrari-Sieg des Schweizers Clay Regazzoni als Dritter über die Ziellinie des Autodromo Nazionale fuhr und der Scuderia damit in Italien vorzeitig den ersten WM-Titel seit elf Jahren gesichert hatte. Konstrukteurstitel inklusive.

Heute hält Ferrari als erfolgreichstes Team der WM-Geschichte bei 16 Team- und 15 Fahrer Titeln, dazu kommen in 898 seit 1950 gefahrenen Rennen 222 Siege und 207 Poles. Alleine in Monza hat das rote Traditions-Team aus Maranello 18 Siege zu Buche stehen.

26 Jahre alt war Lauda, als das heillose Chaos auf der
italienischen Traditionsstrecke ausbrach. "Was damals passiert ist, war außerhalb jeder Vorstellungskraft",  erinnert sich Lauda an den Monza-GP von 1975. "Überall waren Menschen. Im Wald, im Park, auf der Strecke. Ich war auf dem Podium und über allem stand auch noch der WM-Titel", gibt sich der 66-Jährige, der heute die Geschicke von Mercedes in der Formel 1 mitlenkt, beim Rückblick ungewohnt emotional. Lauda ist überzeugt: "Auch heute ist ein Podium in Monza für jeden Fahrer eine einzigartige Erfahrung."

Erstmals für Ferrari

Auch Vettel hat schon drei Mal in Monza gewonnen, allerdings stets als Red-Bull-Pilot. "Ein Sieg hier wäre alleine deshalb ein Traum, weil ich dann erstmals nicht ausgebuht werde", sagte der vierfache Red-Bull-Weltmeister mit einem Augenzwinkern vor dem Grand Prix von Italien am Sonntag (14.00 MESZ, live ORF 1, RTL und Sky), den er nach seinem Wechsel zur Scuderia erstmals als Ferrari-Pilot in Angriff nimmt.

Ein bisschen weiß Vettel ja schon, wie es ist. Denn 2008 hatte er einen Ferrari-Motor im Heck seines italienischen Toro Rosso, als er unter Teambesitzer Gerhard Berger mit 21 Jahren als jüngster Pilot aller Zeiten zum Premierensieg in der Formel 1 raste. "Das war ein kleines Wunder damals", blickte der heute 28-Jährige gerne zurück. "Seit damals ist Monza für mich ein besonderer Ort."

Jedes Mal, wenn er heute über die Strecke laufe, sehe er die Bilder von damals, versicherte Vettel. "Ich hoffe, diesmal ist das Ergebnis am Ende wieder das gleiche und ich kann nicht nur mit einem Ferrari-Motor,  sondern auch mit dem Auto gewinnen", sagte Vettel, der nun mit Riccardo Adami den gleichen  enningenieur hat wie 2008. "Es sollte an sich nun leichter sein zu gewinnen, aber eben nur auf dem Papier. Ich kann daher nichts versprechen, außer dass wir unser Maximum geben werden", versicherte er.

Ziel ist, am Sonntag zumindest auf dem Podium zu stehen. Denn da ist den Piloten ein Champagner- und Konfetti-Bad sicher, dürfen doch die Tifosi nach dem Rennen auf die Piste um zu Feiern wie nirgendwo sonst. "Ich freue mich so oder so riesig, erstmals hier als Ferrari-Pilot zu fahren. Endlich bin ich ein Teil davon", beschrieb Vettel seine Gefühle.

Der Deutsche fürchtet freilich, dass das Siegen im Ferrari schwieriger werden könnte als 2008 im unterlegenen Toro Rosso. Die ultraschnelle Strecke im Königlichen Park kommt dem aktuellen Ferrari trotz Motoren-Weiterentwicklung nicht ideal entgegen, Mercedes ist aktuell zu überlegen. Selbst Teamchef Maurizio Arrivabene stapelte daher vor dem großen Heimspiel tief.

Vettel hat bei Ferrari den Job, wie Michael Schumacher Tugenden wie die "deutsche Gründlichkeit" ins  emotionale Team zu bringen. Ähnlich hatte seinerzeit schon der staubtrockene Lauda agiert. Man müsse bei Ferrari alle Emotionen ausblenden, hatte der Wiener einst empfohlen.

Vettel stimmt dem prinzipiell zu, will aber dennoch auch die Emotionen aufsaugen. "Man muss schon auch links und rechts schauen, sonst entgeht einem etwas. Für das Team ist das der Höhepunkt des Jahres und für mich ist das nun auch so etwas wie ein Heim-Grand-Prix."

Vettel ist klar, dass die Tifosi viel erwarten und bei Misserfolgen gnadenlos sind. Für Ferrari in Italien zu starten, sei dennoch alles andere als eine Last. "Es ist", so Vettel, "vielmehr ein Privileg."