Denn nicht nur Triumphe und Tragödien haben sich im "Autodromo Nazionale Monza" in Sonderzahl ereignet, auch die wirtschaftlichen Probleme begleiten die drittälteste permanente Motorsport-Anlage Europas seit Jahrzehnten - so auch 2015. Ministerpräsident Matteo Renzi will deshalb persönlich am Wochenende vorbeischauen, um mit Bernie Ecclestone - einem Monza-"Fan" - einen neuen Vertrag auszuhandeln. Das und lokale Steuererleichterungen sollen helfen, das Traditionsrennen zu erhalten.

Und die Chancen stehen gut. Mehrmals schon ist das bevorstehende Ende für das Rennen in der Lombardei ausgerufen worden, doch die Veranstaltung hält sich wacker. Neben Silverstone ist man die einzige Strecke, auf der seit 1950 - mit einer Ausnahme - immer gefahren wurde. 1980 musste man wegen eines Umbaus nach Imola ausweichen.

Und umgebaut wurde die Piste im Königlichen Park von Monza oft. Wie etwa nach dem fatalen Unfall des Deutschen Wolfgang Graf Berghe von Trips, der 1961 auch viele Zuschauer mit in den Tod riss. Es war das Ende der zehn Kilometer langen Strecken-Variante mit Steilkurven.

Diese legendären Kurven gibt es immer noch. Lewis Hamilton etwa befuhr diese heute von Wald umwucherten, spektakulären Bauten heuer im Rahmen der Mille Miglia zusammen mit Stirling Moss in einem Mercedes W 196 und zeigte sich tief beeindruckt. "Es war fantastisch. Jetzt weiß ich, wie es für die damaligen Fahrer war und warum diese Strecke zu einer Legende wurde", sagte der aktuelle Weltmeister, der 2015 als Titelverteidiger und mit 28 Punkten Vorsprung auf seinen Mercedes-Teamkollegen Nico Rosberg nach Monza kommt.

Aber auch die auf 5,8 Kilometer zurückgebaute Piste ist für Hamilton eine große Herausforderung. Mit einem Vollgas-Anteil von 77 Prozent und einem Rennschnitt von mehr als 240 km/h ist sie das Geschwindigkeits-Mekka schlechthin, nirgendwo sonst werden die Bremsen so beansprucht wie hier.

2005 erreichte der Kolumbianer Juan Pablo Montoya in einem Williams-BMW einen Top-Speed von 372,2 km/h, die heutigen Hybrid-Autos kommen da nicht mehr ganz hin. "Die Strecke ist aber nach wie vor unglaublich und auch heute noch eine Riesen-Herausforderung", befindet Hamilton. "Ich möchte meinen vielen guten Erinnerungen hier weitere hinzufügen", hat sich der Brite vorgenommen.

Über allem stehen die leidenschaftlichen Fans, auch wenn sie fast ausschließlich für Ferrari die Daumen drücken. Die Scuderia ist mit 18 Siegen bei 66 Starts auch das erfolgreichste Team in der Monza-Geschichte und diesmal soll trotz der anhaltenden Mercedes-Überlegenheit Neuzugang Sebastian Vettel die Tifosi zum Jubeln bringen.

Diesen Donnerstag ist es 65 Jahre her, dass 1950 in Monza der erste Italien-GP als WM-Lauf durchgeführt wurde. Absehbar sind am kommenden Wochenende die Sicherheits-Diskussionen nach dem Ableben von Jules Bianchi, dem tödlichen Unfall des Briten Justin Wilson in der Indy-Car-Serie sowie dem jüngsten und brandgefährlichen Reifenplatzer Vettels in Spa. Und das ausgerechnet auf der Strecke, auf der sich alleine wegen der enormen Geschwindigkeit zahlreiche Tragödien abgespielt haben.

Auch deshalb ist Monza freilich Teil jenes Mythos, der die Formel 1 zu dem gemacht hat, was sie ist. Oder einmal war. Denn seit längerem zehrt die Königsklasse vom Ruf der Vergangenheit, in der die Gefahr ständiger Begleiter war. Schon 1922 gab es einen toten Piloten, 1928 kam es zum schwersten Massenunfall bis zur späteren Le-Mans-Tragödie. 1955 starb in Monza Alberto Ascari, 1961 Trips, 1970 Jochen Rindt, 1978 Ronnie Petterson. Erinnerungen an diese Legenden sucht man auf der Strecke aber vergeblich, denn Monza will keine Gedenkstätte sein.

Für Österreich, das im Vorjahr 60 Jahre nach dem tödlichen Monza-Unfall von Rupert Hollaus (Österreichs bisher einzigem Straßen-Motorrad-Weltmeister) in der Lesmo und 45 Jahre nach Rindts Todessturz in der Parabolica auf die beiden rot-weiß-roten Posthum-Weltmeister zurückblicken musste, tut sich desmal aber Erfreulicheres auf. Denn vor genau 40 Jahren sicherte sich hier Niki Lauda den ersten seiner drei WM-Titel.

Und das in einem Ferrari. Aber damals schon Lauda-typisch kühl kalkulierend und überlegt auf Platz drei fahrend, statt um den Sieg zu kämpfen. 200.000 Tifosi jubelten am 7. September 1975 in Monza dank des Österreichers dennoch über den ersten Ferrari-WM Titel seit elf Jahren und den gleichzeitigen Gewinn des Konstrukteurs-Titels.

Heute hält die Scuderia als erfolgreichstes Team der WM-Geschichte bei 16 Konstrukteurs- und 15 Fahrer-Titeln, dazu kommen in fast 900 seit 1950 gefahrenen Rennen 222 Siege und 207 Poles. Für den bisher 18. und letzten Monza-Sieg eines Ferrari sorgte 2010 Fernando Alonso. Den zehnten Ferrari-Triumph in Monza hatte 1988 mit Gerhard Berger ein Österreicher beigetragen.

Vettel weiß seit seinem Premieren-Sieg in einem Toro Rosso, was es heißt, für ein italienisches Team in Monza zu siegen. Nun sitzt er in einem Ferrari, aber ausgerechnet seinem Auto liegt die spezielle Streckencharakteristik gar nicht. Neo-Teamchef Maurizio Arrivabene dämpfte deshalb auch die Hoffnungen für Sonntag. "Ich möchte den Tifosi nichts vormachen."