Wird die Formel 1 bald endgültig zur Formel Mercedes? Nicht nur deshalb, weil die Silberpfeile mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg von Sieg zu Sieg fahren, weil auch die Kundenteams gerade auf „Motorenstrecken“ immer stärker werden, wie sich im Qualifying in Spa wieder zeigte, sondern auch, weil in Zukunft mit Red Bull noch ein weiteres Topteam mit Mercedes-Motoren unterwegs sein wird und damit sowohl die sportliche als auch die politische Macht immer mehr in Stuttgart konzentriert wird?

Der Mercedes-Vorstand hat in einer Sitzung schon Ende Juli grundsätzlich grünes Licht gegeben, auch dem potenziellen Hauptkonkurrenten Red Bull Motoren zu liefern – „wenn die Rahmenbedingungen stimmen“. Weil man erkannt hat, dass über Jahre hinweg dominierende Silberpfeile, die den WM-Titel nur unter sich ausmachen, für keinen gut sind: nicht für das Gesamtimage der Formel 1, nicht für das im Moment ohnehin schon sinkende weltweite Interesse bei den Fans – und damit auch nicht für Mercedes selbst.

Das große Ganze

Niki Lauda spricht schon längere Zeit über dieses Thema mit seinem Landsmann Helmut Marko, dem Red-Bull-Motorsportkoordinator, und ist ein absoluter Befürworter der Idee. Im Gegensatz zu Toto Wolff, der sich intern immer noch wesentlich deutlicher gegen die Idee sträubt, als seine öffentlichen Äußerungen deutlich machen. Da meint er immerhin, man müsse ja schon auch einmal „an das große Ganze“ denken, auch wenn ihm der Gedanke sichtlich schwerfällt, „einem so starken Gegner Motoren zu liefen“. Doch der Vorstand scheint sich jetzt eindeutig auf Laudas Seite geschlagen zu haben. Marko geht aufgrund der Informationen, die er von Lauda bekommt, wohl schon so gut wie sicher davon aus, 2016 einen Mercedes-Motor im Heck des Red Bull zu haben – für das Zweitteam Toro Rosso wird noch ein Partner zwischen Ferrari und Honda gesucht.

Ferrari als Verlierer

Verlierer in dem Spiel wäre erst einmal Ferrari: Dort hätte man dann nur noch kleinere und politisch unwichtigere Teams wie Sauber oder Haas und eventuell Toro Rosso als Kunden – alle zum Beispiel keine Mitglieder der Strategiegruppe, in der wichtige technische und politische Entscheidungen in der Formel 1 vorbereitet und oft quasi gefällt werden –, Mercedes dagegen sicher Red Bull und Williams als ständige Unterstützung in diesem Gremium. Zweitens besteht auch sportlich die Gefahr, wieder hinter Red Bull zurückzufallen. Anstatt des Großangriffs auf Mercedes und den WM-Titel 2016 droht das Risiko, wieder nur noch dritte Kraft zu sein.
Taktisch ungeschickt

Warum die Ferrari-Führung, die ja im Sommer als Erste Kontakt zu Red Bull in Sachen Motorenlieferungen aufnahm, die Chance, sich selbst politisch und sportlich besser aufzustellen, verstreichen ließ, ist vielen Insidern ein Rätsel. Ständig sehr offensiv zu verkünden, Red Bull würde auf jeden Fall nur eine B-Version der Ferrari-Motoren bekommen, war taktisch äußerst ungeschickt – und auch unnötig. Die Kontrolle über die heute alles entscheidende Software hätte ja sowieso bei den Italienern gelegen, wäre Red Bull wirklich zu stark und zur Bedrohung geworden, hätte man das auch intern über kleine Details in diesem Bereich „regeln“ können.
So wie das Mercedes mit ziemlicher Sicherheit auch machen wird, sollte es bei dem Deal zu einer Situation kommen, wo das Werksteam gegen das Kundenteam entscheidend zu verlieren droht. Nur muss man das ja nicht von Anfang an in die Welt hinausposaunen. So gibt es eigentlich nur noch zwei Punkte, die dem Handel im Wege stehen könnten. Der erste liegt darin, dass Red Bull aus dem eigentlich noch bis Ende 2016 laufenden Renault-Vertrag herauskommen muss – ohne großen Gerichtsstreit, sodass es nicht so aussehen könnte, als falle Mercedes einem anderen Hersteller, mit dem man im Serienbereich zusammenarbeitet, in den Rücken. Doch zumindest für Marko scheint das kein echtes Thema zu sein. Seine Kalkulation: Entweder steigt Renault aus – dann hat sich das Thema erledigt. Oder aber sie übernehmen Lotus als eigenes Werksteam – dann könne man gehen, selbst wenn das erst 2017 passieren solle. Die Prioritätsklauseln für Red Bull sind wohl seiner Ansicht nach auch dann nicht mehr erfüllt, wenn man sozusagen Entwicklungsarbeit für ein kommendes Werksteam machen müsse. Formel-1-Boss Bernie Ecclestone glaubt: „Bis Ende des Monats dürfte feststehen, was Renault wirklich macht.“
Vertragsrahmen

Der zweite Knackpunkt: Der Mercedes-Vorstand hat wohl den beiden „Chefs“ Toto Wolff auf der einen und Red-Bull-Teamchef Christian Horner auf der anderen Seite den Auftrag gegeben, den genauen Vertragsrahmen für den Deal auszuhandeln. Dabei geht es unter anderem um auf den ersten Blick so banale Details wie folgendes: ob der Mercedes-Stern dann auf dem Red Bull erscheint oder nicht . . .

KARIN STURM, SPA