Gibt es bei Red Bull nach dem Saisonfinale noch etwas zu analysieren? Oder ist ohnehin schon alles gesagt?

HELMUT MARKO: Wir haben die Saison bereits abgeschlossen. Dass es ein schwieriges Jahr wird, haben wir ja schon im Februar gewusst, als wir bei den Tests vier Sekunden zurücklagen. Das Positive: Wir sind dennoch Zweiter in der Marken-WM. Daniel Ricciardo hatte bis zuletzt theoretische Titelchancen.

Und das Negative?

MARKO: Mercedes hat durch seinen Vorsprung eine Zweiklassengesellschaft geschaffen, wie es sie selten gegeben hat. Wir haben die Formel 1 auch dominiert. Aber nie über eine ganze Saison mit beiden Autos.

Christian Horner (Anm., Red-Bull-Teamchef) spricht noch immer von 75 PS Vorsprung, die Mercedes hat?

MARKO: Ja, mindestens. Zudem ist bei Mercedes die Fahrbarkeit deutlich besser. Und sie haben einen eigenen Modus fürs Qualifying, den haben wir nicht.

Das klingt nicht nach großer Veränderung der Kräfteverhältnisse fürs nächste Jahr?

MARKO: Es geht nicht ums nächste Jahr. Es geht um die Jahre bis 2020, so lange gilt das derzeitige Motorreglement. Und da muss man sich einfach die Frage stellen, ob die Entwicklung eine richtige ist? Wenn wir nicht nur vom Motor, sondern von der gesamten „Power Unit“ sprechen – das alles ist derart komplex geworden. Heute startest du ein Formel-1-Auto nicht mehr, du fährst einen Computer hoch.

Das Reglement lässt aber kaum Spielraum für Änderungen?

MARKO: Doch, doch. Ein Nachrüsten ist möglich, für derartige Beschlüsse braucht es ab 2016 keine Einstimmigkeit mehr, es reicht dann eine einfache Mehrheit. Dann brauchen wir Mercedes nicht mehr. Und Ferrari, Red Bull und Bernie (Anm., Formel-1-Chef Bernie Ecclestone) tendieren bereits heute sehr klar in eine gemeinsame Richtung.

Was schwebt Ihnen in Sachen Motor genau vor?

MARKO: Wir müssen nicht zurück zum Achtzylinder. Wir setzen einfach auf den heutigen Sechszylinder einen zweiten Turbo drauf. Der Motor wäre stärker, der alte Sound wäre wieder da. Genau das, was Fans und Fahrer wollen. Weg mit dem ganzen Firlefanz wie Spritlimit und Energierückgewinnung.

Die neue Entwicklung würde wieder viel Geld kosten?

MARKO: Eben nicht. Es würde unterm Strich etwa 50 Prozent der Motorkosten einsparen. Und gerade für die kleinen Teams wäre so etwas überlebensnotwendig. Sie würden sich von heute auf morgen zehn, zwölf Millionen an Motorkosten sparen.

Nur punkto, nennen wir es „grüner Mobilität“, wäre es halt kein besonderes Signal?

MARKO: Dass die Formel 1 das kann, hat sie jetzt bewiesen. Es gibt eine ganze Menge Effekte daraus, die die Serienproduktion bereits nutzen kann. Aber so, wie sie heute dasteht, ist die Formel 1 in der Sackgasse. Die Formel 1 muss wieder die geilste, schnellste und brutalste Serie der Welt werden. Dafür bezahlen die Fans schließlich.

Mercedes hat bereits offen mit einem Ausstieg aus der Formel 1 gedroht, sollte am Motorreglement etwas verändert werden.

MARKO: Dann steigt Mercedes halt aus, na und? Ich habe mit dem Niki (Anm., Niki Lauda, Vorsitzender Mercedes-Formel-1-Aufsichtsrat) mannigfach geredet. Alle Zustimmungen hat Mercedes später widerrufen.

Jetzt könnte man Red Bull dennoch vorwerfen, schlechte Verlierer zu sein?

MARKO: Um nochmals zwei Dinge klarzustellen: Mercedes hat heuer fantastische Arbeit geleistet. Und Red Bull jammert nicht. Aber wir verlangen Chancengleichheit. Das ist übrigens ein Paragraf im Regulativ der FIA, dass die Formel 1 unter gleichen Bedingungen für alle gefahren werden muss. Wir haben in einem Papier alle Regeländerungen der letzten fünf Jahre zusammengefasst, die ausschließlich darauf abgezielt haben, Red Bull zu beschneiden.

Bernie Ecclestone hat sinngemäß gemeint, ihm seien die 70-Jährigen als Zielgruppe ohnehin wichtiger. Er lege gar keinen großen Wert auf junge Fans. Das passt mit einer Red-Bull-Philosophie so gar nicht zusammen?

MARKO (lacht): Mit über 70 muss ich mich ja angesprochen fühlen. Aber im Ernst: Das war von Ecclestone natürlich überzogen. Du brauchst alle Fans. Vor allem die Jungen, sie sind quasi unsere Kundschaft von morgen.

Red Bull muss heuer keine WM-Prämien ausschütten. Wie viel Geld erspart man sich da?

MARKO: Es hält sich so ziemlich die Waage mit jener Summe, die wir als Vizeweltmeister aus dem Formel-1-Topf weniger bekommen. (lacht) Außerdem verdienen unsere beiden Piloten nächstes Jahr weniger, als bei Mercedes Rosberg und Hamilton alleine an Spesen bekommen.

Wer wird Weltmeister?

MARKO: Vom Speed her Lewis Hamilton. Aber die doppelten WM-Punkte machen alles etwas unberechenbar.

INTERVIEW: GERALD POTOTSCHNIG