Zu verschenken gibt es in der Formel 1 derzeit besonders wenig. Zu eng liegt das Fahrerfeld beisammen. Die ersten vier Rennen haben vier verschiedene Sieger gebracht. Vor dem Grand Prix von Spanien sprach der 63-jährige Wiener Niki Lauda mit der APA - Austria Presse Agentur über schwierig zu verstehende Reifen, seinen Ex-Kollegen Gilles Villeneuve und über eine Fußball-EM im Schatten der Politik.

APA: Barcelona als Gradmesser für den Rest der Saison - welchen Stellenwert nimmt dieses Rennen ein?
Lauda: "Barcelona ist immer ein Schlüsselrennen. Es ist das Rennen mit den meisten Neuteilen, bei denen man erkannt hat, dass man sie ändern muss. Es sind drei Wochen vorbei, in denen gearbeitet worden ist. Jetzt ist die wichtigste Ausbauphase, alle kommen mit neuen Teilen. Entweder das Auto funktioniert hier, oder die Saison geht in die Hose. Ab jetzt geht es Schlag auf Schlag."

APA: Was macht die Situation so speziell?
Lauda: "Barcelona ist einer der anspruchsvollsten Kurse überhaupt. Es ist viel aerodynamischer, aber auch mechanischer Grip notwendig. Es geht darum, möglichst lange mit guten Reifen fahren zu können. Damit, die Reifen zu verstehen, haben alle ein Problem. Man wird jetzt sehen, wer seine Hausaufgaben am besten gemacht hat. Die Rangordnung wird dann zumindest drei oder vier Rennen so bleiben, auch wenn als nächstes Monte Carlo kommt."

APA: Weltmeister Sebastian Vettel ist nicht mehr so dominant wie im Vorjahr. Was kann er aus einer Phase wie dieser lernen?
Lauda: "Die Punkte haben sich auf alle Fahrer verteilt, also ist noch nichts passiert. Er muss sich noch keine Sorgen machen. Jeder Profi weiß, dass eine neue Saison ein Neustart ist. Man kann sich nie auf die Vergangenheit und das Gewesene verlassen. Red Bull ist vorne dabei. Wie es genau aussieht, kann man aber noch nicht so genau sagen. Die Teams selbst wissen es auch nicht."

APA: Warum ist die bisherige Saison so besonders eng?
Lauda: "Das hat mit der neuen Reifensituation zu tun. Das Fenster, in dem die Reifen wirklich funktionieren, ist sehr klein. Es geht eng zu und das wird auch bis zum Schluss so bleiben. Für mich gibt es keinen echten WM-Favoriten."

APA: In einer so spannenden Saison, würde es Sie da nicht reizen, selbst noch einmal in einer aktiveren Rolle in der Formel 1 tätig zu sein?
Lauda: "Nein, das ist aus und fertig. Ich bin sehr zufrieden mit meiner Aufgabe als RTL-Experte. Das mache ich ja schon einige Jahre. Aber es ist wahr, es ist wirklich eine sehr interessante Saison. Das ist gut für die Zuschauer."

APA: Ferrari hat diese Woche anlässlich seines 30. Todestages Gilles Villeneuve gedacht. Als welchen Typ Fahrer und als welchen Typ Mensch haben Sie ihn in Erinnerung?
Lauda: "Ich habe ihn sehr gut gekannt. Er war einer der Fahrer, die mir sehr nahe gestanden sind. Er hatte ein unglaubliches Talent und eine unglaubliche Risikobereitschaft. Die hat ihn letztendlich auch das Leben gekostet. Er war sehr offen und geradlinig, insgesamt ein sehr guter Typ."

APA: Anderes Thema: Würden Sie derzeit in die Ukraine fliegen?
Lauda: "Das mache ich nicht, ich habe es aber auch nie vorgehabt. Wenn Politiker jetzt plötzlich draufkommen, nicht zur Fußball-EM zu fahren, dann ist das ihre Sache. Ich würde überall auf der Welt hinfahren. Es ist aber auch nicht meine Aufgabe, damit irgendeine Message zu schicken. Ich bin kein Politiker."

APA: Auch in der Formel 1 hat die Austragung des vergangenen Rennens in Bahrain wegen der politischen Situation für Aufregung gesorgt.
Lauda: "Sport ist Sport und Politik ist Politik, das kann man nicht hinterfragen. Die Sportverantwortlichen haben eine Entscheidung über den Austragungsort getroffen, daher haben sie auch die Verantwortung. Egal, ob das bei der Formel 1 die FIA ist oder beim Fußball jemand anderer. Wenn die Entscheidung getroffen ist, braucht sich kein Sportler mehr den Kopf darüber zu zerbrechen."

APA: Wie bewerten Sie die Situation in der Ukraine?
Lauda: "Was mich stört an der Politik ist, dass sie keine Gespräche führt, ohne den Fußball auszuklammern. Wenn man der Meinung ist, dass Julia Timoschenko ungerecht behandelt wird, muss man das Regime zu einer Lösung drängen. Man darf sich nicht hinter dem Fußball verstecken. Einfach nicht hinzufahren, das ist mir zu billig. Wenn man etwas ändern will, muss man hinfahren, sich den Präsidenten vornehmen und ihn zur Vernunft bringen."