Schnürlregen, grauer Himmel, acht Grad Celsius, acht Uhr früh. Kein Wetter, das die Motorsportfans an den Red-Bull-Ring lockt. Zumal es „nur“ die Rundstreckentrophy ist, die am Pfingstwochenende ihre Runden in Spielberg dreht. Und trotzdem ist es diesmal etwas Besonderes. Mick Schumacher, Sohn der Formel-1-Legende Michael, hat sich angesagt. Am Donnerstagabend hat das niederländische Van- Amersfoort-Team genannt – noch ohne die Fahrerpaarung bekannt zu geben. „Das war die Bedingung“, sagt Armin Holenia, der Pressechef der Veranstaltung. Erst Freitag durfte dann die Meldung rausgehen, dass in den beiden Formel-4-Autos Mick Schumacher und Harrison Newey, Sohn der Konstrukteursikone Adrian Newey, sitzen werden. Damit der Rummel vor allem um den 16-jährigen Mick Schumacher nicht überhandnimmt.

Hat funktioniert. Auf den Tribünen: gähnende Leere. Immerhin ein Reisebus kommt. Die Insassen sind gut situierte Damen und Herren mittleren Alters, die sich vor allem für die Trofeo Maserati interessieren. Schumacher und Newey? Egal. Auch Kartenverkäufer Franz, der mit weißem Schnauzbart, orange Reflektorweste und brauner Ledertasche vor dem Empfangsgebäude steht, verzeichnet zwei Stunden nach Beginn der Veranstaltung keinen Schumi-Bonus. „30 Karten haben mein Kollege und ich ungefähr verkauft. Zusammen.“ Nach Mick Schumacher hat ihn keiner gefragt. Auch die Red-Bull-Dame am Empfang schüttelt hinter der Holztheke den Kopf.

Vorerst noch kein Rummel in Spielberg

Weiter durch den gefliesten Tunnel unter der Start-Ziel-Geraden, vorbei an den Boxen, hinauf ins alte Pressezentrum. 20 Journalisten und Fotografen sitzen über die rund 150 Plätze verstreut. Rummel schaut anders aus. Die meisten sind Italiener und wie die Reisegesellschaft wegen der Trofeo Maserati hier. Die deutsche Boulevard-Meute von der „Bild“ abwärts ist ausgeblieben.

In zwei Wochen, wenn Schumacher hier in der Formel 4 im Vorprogramm das ADAC GT Masters startet, wird das anders sein. Wobei auch dann Fragen zu Schumachers Privatleben tabu sind. In Oschersleben haben ihn fünf Fotografen nach seinem Vater befragt. Und waren gleich danach ihre Jahres-Akkreditierungen los, Rausschmiss von der Rennstrecke inklusive.

Die Bedingung: keine Presse

10.15 Uhr. Gut drei Stunden vor dem Start des Formel-3-Rennens, an dem Schumacher zu Testzwecken seine Runden drehen wird. Plötzlich taucht der 16-Jährige alleine vor dem Truck mit seinem Rennwagen auf. Kurze blonde Haare, Sneakers, schwarze Jogginghose und eine Fleecejacke gegen die kriechende Kälte. Keiner da, also dreht er um, tippt eine Nummer ins Display und verschwindet mit dem Telefon am Ohr zwischen einem Lastwagen der „Scuderia Praha“ in den Tiefen des Fahrerlagers. Keine Bodyguards, keine Kapuze, keine Schirmmütze, die man sich zur Tarnung ins Gesicht ziehen könnte.

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Dass er überhaupt hier ist, hat Franz Wöss eingefädelt. Der Oberösterreicher ist mit einem eigenen Team in der Formel 3 am Start. „Ich kenne Frits van Amersfoort, den Chef von Schumachers Team. Und einer meiner Mechaniker hat mich auf die Idee gebracht, dass es doch super wäre, wenn Mick in Spielberg fahren würde.“ Zwei Anrufe später war alles klar. Unter der Bedingung, dass es keine Presse gibt. „Ich musste das bis zur technischen Abnahme geheim halten, sonst hätten sie sofort umgedreht und wären wieder gefahren.“ Nicht einmal Veranstalter Gerhard Leeb durfte er ein Sterbenswörtchen sagen.

„Weil ihm seine ganze Jugend geraubt wird“

Noch 20 Minuten bis zum Start. Teammitglieder schleusen Schumacher in die Box. Während Harri Newey noch neben seinem Auto steht, hat Mick den Helm auf und starrt konzentriert ins Leere. Sobald fremde Personen vor der Amersfoort-Box auftauchen, drückt ein Mechaniker den Knopf und das Garagentor fährt nach unten.
Das Rennen dauert dann nicht lange. Schumacher will sich nach der Castrol-Kurve an der Deutschen Angelique Germann vorbeidrängen. Nach dem Manöver auf der rutschigen Strecke drehen sich beide ins Kiesbett – der Sieg geht an den Kärntner Christopher Höher. Zurück in der Box wirft Schumacher hastig einen Blick auf den Monitor. Dann huscht er in einem Pulk von Mitarbeitern wieder hinein, Tor zu. Abschirmung total. Franz Wöss ist einer der wenigen, die an diesem Wochenende mit Mick Schumacher sprechen dürfen. „Er ist ein ganz normaler, unkomplizierter Bursche. Aber er tut mir leid“, sagt Wöss. „Weil ihm seine ganze Jugend geraubt wird.“

KLAUS MOLIDOR