Sie sind jetzt mehr als vier Monate in Watford. Wie fühlt es sich in England an?
SEBASTIAN PRÖDL: Es übertrifft meine Erwartungen. Es ist interessant, dass sich die Liga so teuer verkauft, obwohl sich die Klubs so rar machen. Das Trainingszentrum ist auch eingezäunt. Der Trainer spricht bei der Pressekonferenz und manchmal ein Spieler. Das wird so respektiert. In Deutschland werden die Spieler permanent gejagt. Das ist ein ganz anderer Druck.

Ist London für einen Kirchberger nicht ein Kulturschock?
PRÖDL: Ich habe gute Zwischenschritte gehabt (lacht). Von Kirchberg nach Gleisdorf, Graz, Bremen, zwischendurch Wien mit dem ÖFB-Team. Manchmal mit Stegersbach und Bad Tatzmannsdorf im Trainingslager mit dem Team hat mich die Realität wieder eingeholt.

Wie gehen Sie mit den neuen Gewohnheiten um?
PRÖDL: Am Anfang war es brutal. Die neuen Eindrücke von Linksverkehr über die Pfund-Euro-Umrechnung bis hin zum Schul-Englisch, mit dem du hier nicht weit kommst, ermüden einen zu Beginn. In England fühlst du dich nicht in Europa.

Wie macht sich das bemerkbar?
PRÖDL: Die Engländer sehen sich nicht als Europäer, sondern eigenständig. Es herrscht eine ganz andere Kultur.

Beim Fußball auch?
PRÖDL: Sehr viel ist auf Geschwindigkeit aufgebaut. In England wird viel vertikaler als in Deutschland gespielt. Der Ball bewegt sich zwischen den Strafräumen schneller hin und her. Körperbetonter ist es natürlich auch, die Schiedsrichter lassen viel mehr durchgehen. Schwalben sind verboten, sonst wirst du vom eigenen Trainer kritisiert. Fußball ist traditioneller. Hier ist der Fußball entstanden und er wird noch immer so gelebt.

Sie sind über die Jahre körperlich immer robuster geworden.
PRÖDL: Seit dem Abgang von Sturm habe ich von 85 auf rund 95 Kilogramm zugelegt. In England werden jede Woche Gewicht, Fett und Muskelmasse gemessen. Da muss die Relation stimmen. Wenn da irgendetwas nicht passt, kommt die Ernährungsberaterin und sagt dir, wovon du mehr essen musst. Kuchen gibt es aber bei keinem Essen (lacht).

Sie haben am Anfang neun Mal über 90 Minuten gespielt, dann drei Mal nicht. Warum?
PRÖDL: Mein Trainer hat mir erklärt, dass ich so viele Spiele gemacht habe in der Liga und mit dem ÖFB-Team, dazu nur kurzen Urlaub hatte. Deshalb will er mich etwas schonen. Körperlich tut mir die Pause gut. Dadurch, dass ich voller Selbstvertrauen wegen der gezeigten Leistungen bin, bleibe ich gelassen.

Ist die Premier League die beste Liga der Welt?
PRÖDL: Beim Geld ist die Premier League ganz vorne. Ich sage nicht, dass die englische Liga besser als die deutsche Bundesliga ist. Die besten Fußballer spielen mit Ausnahme von Bayern, Real Madrid und Barcelona aber schon in England. Die Premier League ist ausgeglichener als die deutsche Bundesliga.

Bleibt durch das große Geld in England nicht der Nachwuchs auf der Strecke?
PRÖDL: In England müssen im 25-Mann-Kader acht in England geborene Spieler stehen. Aber es besteht sicher die Gefahr, dass die Regel durch das Geld wieder abgeschafft wird. In die Nachwuchsarbeit sollte aber immer investiert werden.

Englands Nationalteam hat sich klar für die EM qualifiziert. Wie schätzen Sie England bei der EURO ein?
PRÖDL: Wer zehn Siege in zehn Qualifikationsspielen holt, ist ein ernst zu nehmender Favorit. Der Mix aus jungen und alten Spielern ist gut. Das ist die beste englische Mannschaft seit Jahren.

Ist das ÖFB-Team in seiner Entwicklung weiter?
PRÖDL: Weiter sind wir nicht. Sie haben sich in den vergangenen Jahren immer für die Großveranstaltungen qualifiziert und dementsprechend mehr Erfahrung. Aber wir haben sicher den steileren Aufstieg hinter uns. Wir sind aktuell die beste Aktie in Europa mit den meisten Zugewinnen.

INTERVIEW: HUBERT GIGLER, MICHAEL LORBER, ALICANTE