Er hat eine humanistische Ausbildung genossen, unter anderem in Altgriechisch und Latein maturiert, war Seminarleiter und Lehrer. Bekannt geworden ist Werner Gregoritsch allerdings als Fußball-Trainer. Als einer, der seine Emotionen nie verstecken konnte und wollte. Seit 1989 steht der Grazer in diversen Coaching-Zonen, feierte mit vielen Klubs Erfolge und trainiert seit Anfang dieses Jahres die österreichische U21-Nationalmannschaft.

Nach 24 Jahren als Klubtrainer mit fast täglichem Training muss Ihnen als Nationaltrainer doch langweilig sein?

Werner Gregoritsch: Der Job als Klubtrainer ist extrem geworden. Du bist in einer Mühle drinnen, hast ständig Stress. Eine Studie in Deutschland hat ergeben, dass nur Chirurgen mehr Stress haben als Fußball-Trainer. Ich leide mit meinen Kollegen.

Haben Sie mit dem Jobwechsel ihr Leben entschleunigt?

Gregoritsch: Es ist ein Traumberuf für mich. Ich bin glücklich. Ich habe in diesem Jahr so viel gelernt, dafür bin ich dankbar. Ich habe mich sehr verändert.

In welche Richtung?

Gregoritsch: Die Menschen sind für mich mehr in den Fokus gerückt. Ich habe mehr Zeit für Freunde und lebe jetzt viel bewusster.

Das ist ein Lebensstil, auf den sich viele Menschen nur rund um Weihnachten besinnen.

Gregoritsch: Weihnachten hat sich für mich verändert. Ich habe am 23. Dezember vorigen Jahres die größte Tragödie meines Lebens erlebt. Meine Schwester ist gestorben. Sie war meine Vertraute und ich denke nach wie vor jeden Tag an sie. Sie ist mit 48 Jahren gestorben. Sie hat sogar ihre für dieses Jahr geplante Hochzeit wegen mir verschoben, weil ich wegen des Fußballs keine Zeit hatte.

Ist solch ein Schicksalsschlag überhaupt zu verdauen?

Gregoritsch: Das steckst du nicht leicht weg. Ich war vor 15 Jahren selbst schwer krank, ich hatte Krebs. Damals haben wir den Tod besiegt und ich dachte, das schaffen wir wieder. Leider ist es nicht gelungen. Mit dem Tod meiner Schwester habe ich jetzt alle Menschen verloren, die mich in meiner Jugend geprägt haben. Dieses Jahr hatte alles.

Alles?

Gregoritsch: Der U21-Teamchef ist ein Traumberuf und ich habe Freude, mit den jungen Burschen zu arbeiten. In der größten Freude fühle ich aber auch die größte Trauer. Weil ich bei der Hymne immer an meine verstorbene Schwester denke. Das ist erschütternd für mich.

Woher schöpfen Sie dann noch ihre Kraft?

Gregoritsch: Mit und durch meine Familie. Ich hatte so ein Glück mit meiner Frau und meinen beiden Söhnen. Das absolute Schlagwort ist bei uns Humor. Wir häkeln uns oft und haben gemeinsam jede Menge Spaß und Freude. Das gibt Kraft. Für mich sind Menschen, die lustig und ehrlich sind, Energiespender. Und jene, die nur sudern und jammern, sind Energieräuber. Und ich distanziere mich heute ganz bewusst von diesen Energieräubern.

Sie leben jetzt bewusster und spezieller?

Gregoritsch: Ich habe durch das familiäre Unglück gelernt, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Ich pflege Freundschaften intensiver, lebe klarer, bin geduldiger und demütiger geworden und ich bin Feinden nicht mehr böse, ich akzeptiere sie. Ich bin aber nach wie vor leidenschaftlich und aggressiv, das werde ich nicht ändern können. Und ich bin ja ein kommunikativer Mensch.

Ja? Sind Sie auf Facebook?

Gregoritsch: Nein, ich rede mit den Menschen lieber von Angesicht zu Angesicht. Internet ist für mich die Geisel der Menschheit. Ich schalte am Wochenende auch mein Handy aus und schaue erst abends nach.

Wie feiert die Familie Gregoritsch Weihnachten?

Gregoritsch: Wir haben immer Freunde eingeladen, wo ein Teil einer Partnerschaft etwa Nachtdienst hatte und der andere allein gewesen wäre. Oder mein Onkel ist gekommen, der alleine war. Wir machen uns einen gemütlichen Abend. Klimbim mit Engerln und so etwas gibt es bei uns aber nicht.

Haben Sie einen Weihnachtswunsch?

Gregoritsch: Es ist kein Weihnachtswunsch. Aber ich würde gerne in den kommenden 25 Jahren so leben, wie ich es derzeit tue. Mit meiner tollen Familie und meinen Freunden. Ich habe das Bedürfnis glücklich zu sein und andere Menschen, die ich gern habe, auch glücklich zu machen.