Er war "unstoppable" im Nachwuchs, er schoss alle Gegner kurz und klein. Er war der erste Teenager in Deutschland, der in seinem Profivertrag eine Ausstiegsklausel über 49 Millionen stehen hatte. Und er war der abgehobene "Bad Boy", der seinen 160.000-Euro-Mercedes bei einem illegalen Auto-Rennen schrottete. Angeblich. Heute ist Donis Avdijaj 18 Jahre alt, bei Sturm Graz - und vor allem eines: Glücklich. Die Leihgabe von Schalke 04 im SportWoche-Interview.

SportWoche: Ex-Sturm-Profi Horst Heldt, heute Sportdirektor auf Schalke, bezeichnet dich als "einen der letzten Straßenkicker". Siehst du das als Kompliment?

Donis Avdijaj: Das ist Interpretationssache. Ich verbinde mit einem Straßenfußballer Energie. Jemanden, der sich den Arsch dafür aufgerissen hat, um hier zu sein, wo er jetzt ist. Jemanden, der durch dick und dünn gegangen ist. Und jemanden mit einem großen Selbstbewusstsein. All das trifft natürlich auf mich zu. Dazu noch der Spielwitz, das Kreative.

Aber wann hast du dir das angeeignet? Du hast dich mit fünf Jahren deinem ersten Verein angeschlossen.

Ich bin in ärmlichen Verhältnissen groß geworden. Wir hatten nichts. Meine Eltern haben versucht, das Beste rauszuholen. Aber das war sehr schwer. Alles, was wir damals hatten, war ein kaputter Ball. Mit dem sind wir dann zum Spielen rausgegangen. Richtig auf die Straße, nicht auf den Bolzplatz. Auf den Beton - Pfeiler oder Straßenschilder haben wir als Tore benutzt. Am Abend kamen wir mit Knieprellungen nach Hause. Ohne, dass wir es richtig bemerkt haben. Aber das waren mit die besten Tage in meinem Leben.

Deine Tricks hast du auf der Straße gelernt?

Ja, da fing in Sachen Technik alles an. Später haben wir in Käfigen gespielt, da war alles ganz eng. Heute sehe ich ja niemanden mehr drin kicken. Ständig war man im Eins-gegen-Eins. Da kam bei mir die Liebe zum Ball auf. Ich schaue mir heute noch gerne die Skills anderer an. Nicht nur im Fußball, auch Futsal ist wahnsinnig interessant. Da sieht man, was man mit einer Körpertäuschung alles schaffen kann. Ständig steht man dabei Gesicht zu Gesicht zum Gegenspieler. Dann an ihm vorbei zu kommen, auf ganz engem Raum, das ist für mich Kunst.

Du warst aber immer weit mehr als ein "Dribblanski". Du hast in der Jugend auch mit einer unglaublichen Torquote geglänzt. Siehst du dich als Stürmer?

Ich wollte immer auf der Zehn spielen, aber genauso gerne wollte ich Tore schießen. Ich hatte Trainer, die wussten nicht, wo sie mich hinstellen sollen. Auf der Zehn wurde ich gebraucht, um die Stürmer einzusetzen. Vorne habe ich die Tore selbst gemacht. Hängende Spitze. Das ist, glaube ich, meine ideale Position. Aber da ich gerne dribble, habe ich auch auf links oder rechts meinen Spaß (lacht).

Was geht dir bei einem Treffer durch den Kopf?

Es gibt nichts Geileres. Auch wenn ich in einem Test mit einem schönen Tor das 4:0 mache, freue ich mich tierisch. Viele verstehen das nicht. Aber für mich ist ein Tor das Größte, was es in diesem Moment gibt. Wenn der Ball im Tor zappelt, ist das, wie wenn ich den Weltmeister-Pokal in die Höhe stemme.

Du bist schon als Teenager im Fokus der Öffentlichkeit gestanden. Wie gehst du mit Personen um, die dir den Erfolg neiden?

Am Anfang hat es mich gestört. Mittlerweile weiß ich, dass das normal ist. Es liegt in der Natur des Menschen, nicht zu akzeptieren, was ein anderer hat. Auch wenn er es sich hart erarbeitet hat. Aber alles, was hinter deinem Rücken passiert, kannst du nicht steuern. Es passiert einfach. Und es ist mir egal.

Die Geschichte rund um dein "Auto-Rennen" passt da gut dazu.

Genau. Damals haben die Zeitungen viel Quatsch geschrieben (letztlich war es ein Auffahrunfall mit sehr geringer Geschwindigkeit, Anm.). Natürlich kann man sich darüber beschweren und die Zeitungen in den Dreck ziehen. Ihr habt jetzt einem Menschen, in dem Fall mir, etwas angetan, was unwürdig war. Nur ein Medium hat die Geschichte dementiert. Aber wenn andere Leute das nicht zugeben können, sag ich ihnen: "Danke. Ihr habt mich nur berühmter gemacht."

Heute betonst du immer wieder, wie wohl du dich bei Sturm fühlst. Warum ist das so?

Dort, wo du gute Leistungen bringst, wo die Fans dich mögen, da fühlst du dich wohl. Da geht es dir immer gut.

Wie würdest du das Niveau der tipico Bundesliga beschreiben?

Ich war mehr als positiv überrascht. Man hat im Vorfeld nicht viele gute Worte über die Liga verloren. Ich kann dazu nur eins sagen: Die Leute hier unterschätzen sich. Jeder Spieler hat ein gewisses Potenzial. Jeder österreichische Teamspieler hat hier mit dem Kicken angefangen. Und wo liegt die Nationalmannschaft jetzt in der Weltrangliste? Rang 15? Siehst du. Das Niveau kann nicht so schlecht sein. Die Österreicher sind gut, aber wenn sie noch mehr Unterstützung hätten, wären sie noch besser. Ich habe gehört, dass vielen nichts daran liegt, ins Stadion zu kommen. Ich habe das selbst miterlebt. Am Anfang waren hier 7.000 Menschen im Stadion, zum Ende hin 15.000. Das war überragend. Aber wenn ich mir überlege, dass es in Deutschland Klubs gibt, bei denen Fans weinen, wenn sie keine Karten für ein Spiel bekommen. Hier ist das fast immer auf den Gegner bezogen. Ich stelle damit nicht in Frage, dass man zu einem Verein hält. Aber Unterstützung braucht die Mannschaft immer. Egal gegen wen.

Salzburg und Rapid werden als Titel-Favoriten gehandelt, Sturm als Außenseiter. Siehst du das auch so?

Salzburg ist nicht besser als wir. Rapid auch nicht. Sie haben natürlich eine enorme Qualität, aber die haben wir auch. Es kann sein, dass wir am Ende vorne stehen. Genauso gut können wir aber auch zehn Punkte hinten sein. Das lasse ich alles offen. Aber von der Qualität her gibt es keine großen Unterschiede.

Ihr seid eine relativ kleine Mannschaft. Jetzt kamen mit Horvath und Dobras noch zwei kleingewachsene Spieler hinzu. Vorteil? Nachteil? Egal?

Andere Mannschaften haben vielleicht größere Spieler, aber die sehen mit dem Ball aus wie ein Frosch. Wir haben Leute, die vielleicht klein sind, die du ab und zu mal wegpusten kannst. Aber dafür können sie mit dem Ball umgehen, wie es sich gehört. Die Mischung macht es aus.

Du erzählt immer wieder von deinem guten Verhältnis zu Trainer Franco Foda. Warum verstehst du dich so gut mit ihm?

Wir ähneln uns von der Art. Es ist uns scheißegal, ob das jetzt ein Training ist, wir gehen immer alles mit 100 Prozent an. Er ist ein Gewinnertyp, er glaubt immer an uns. Das ist eine Eigenschaft, die man sehr schätzen kann. Oder sogar muss.

Interview: Alex Klein & Tom Hofer