Rapid Wien stellte sich 2011 mit der Publikation "Grün-Weiß unterm Hakenkreuz" als erster österreichischer Bundesliga-Verein seiner NS-Vergangenheit. Mit dem SK Sturm folgt nun ein weiterer. Kommenden Samstag (21.3.) erscheint in der Clubzeitung eine umfassende Vorschau auf das Buch "Erst der Verein, dann die Partei - Der steirische Fußball und seine Traditionsvereine im Nationalsozialismus".

Der steirische Historiker Walter M. Iber recherchierte jahrelang über das Verhältnis von Sturm und den anderen steirischen Spitzenvereinen, allen voran der Grazer Sportclub (GSC) und der GAK, zum NS-Regime. Für die Vereinszeitschrift "SturmEcho" verfasste Iber, der unter anderem am Grazer Ludwig Boltzmann Institut lehrt, eine Sturm-spezifische Zusammenfassung seiner Forschungsergebnisse.

Überlebensstrategien

"Erst kam der Verein, dann die Partei", so charakterisiert der 36-jährige Historiker das Verhalten Sturms während der Naziherrschaft in Österreich. Um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, hätten die Sturm-Verantwortlichen Überlebensstrategien entwickelt, erklärte Iber im Gespräch mit der APA. Die anderen steirischen Spitzenvereine hätten sich politisch stärker an das Regime angelehnt.

Der GAK etwa habe aus lauter Überzeugung den bereits in den Gründungsstatuten von 1902 verankerten, sogenannten "Arier-Paragrafen" sogar nach 1938 weitergeführt, obwohl dies durch die Nürnberger Gesetze obsolet geworden sei. "Der Arier-Paragraf war, zumindest im deutschsprachigen Teil Österreich-Ungarns, damals etwas durchaus normales", so Iber. Sturm, bei seiner Gründung 1909 auch nicht der "Arbeiterverein", zu dem der Verein heute historisch häufig mythologisiert werde, strich dagegen nach dem Ersten Weltkrieg den "Arier-Paragrafen" aus den Statuten.

Sturm habe sich damals bewusst als Verein der breiten Masse positioniert und sich somit sowohl für jüdische Spieler und Funktionäre, Publikum und Sponsoren als auch für die Arbeiterbasis geöffnet. "Man muss immer zwischen ideologischer Politik und Fußball-Politik unterscheiden", betonte der fußballbegeisterte Historiker.

Sturm ein weltoffener Klub

An den antisemitischen Auswüchsen im steirischen Fußball in den 1920er Jahren habe sich Sturm, zu dessen Unterstützern auch die Grazer jüdische Prominenz wie die Familie Öhler (Kaufhaus "Kastner & Öhler") und die Bier-Dynastie Reininghaus gehörte, nicht beteiligt. Der Deutsche Sportverein Leoben dagegen sei wegen seiner Weigerung, gegen den SC Hakoah Graz anzutreten, im Jahr 1923 aus der steirischen Liga ausgeschlossen worden.

Dem Systemwechsel 1938 in der "Stadt der Volkserhebung" habe sich Sturm aus praktischen Überlegungen dann aber doch rasch angepasst. NSDAP-Mitglieder habe es unter den Sturm-Spielern kaum gegeben. Zu den wenigen gehörte der Berliner Arzt Karl Schneider, der 1940-42 den Sturm-Dress überstreifte und zuvor für Hertha BSC auf Torjagd gegangen war.

Im Krieg habe Sturm wegen der hohen Verluste, der Wehrmacht und dem Ausfall vieler junger Spieler Probleme gehabt, den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, erklärte Iber. So habe sich der Verein auch mit in Graz stationierten Soldaten verstärken müssen und mehrfach mit "Legionären" aus Flandern und den Niederlanden gespielt.

Interesse am Fußball

"Dass es sich bei diesen allesamt um Mitglieder einer in Graz-Wetzelsdorf stationierten Einheit der Waffen-SS handelte, war nicht weiter von Belang." Iber sieht darin ein weiteres Beispiel für das von fußballerischen Interessen geleitete Verhalten des SK-Sturm während der NS-Zeit: "Die Vereinsverantwortlichen übten sich insgesamt in Opportunismus, wenn auch nicht bedingungslos". Daraus erkläre sich auch, warum sich Sturm im Unterschied zum GSC und dem GAK nach Kriegsende nicht für seine Vergangenheit rechtfertigen musste.

Seine gesamten Forschungsergebnisse wird man in Walter M. Ibers Buch "Erst der Verein, dann die Partei - Der steirische Fußball und seine Traditionsvereine im Nationalsozialismus" nachlesen können. Es soll im Verlauf dieses Jahres im Leykam-Verlag erscheinen.