Der EU-Beitritt Österreichs hat vor 20 Jahren viele Veränderungen mit sich gebracht, eine Angelegenheit war im Jänner 1995 für viele aber noch nicht absehbar: "Aktenzeichen RS C-415/93" erschütterte den Fußball innerhalb der Europäischen Union in seinen Grundfesten.

Der Belgier Jean-Marc Bosman klagte vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) auf Transfer-Freizügigkeit und bekam am 15. Dezember 1995 Recht. Konkret bedeutete dies, dass Profifußballer nach Vertragsende ablösefrei wechseln dürfen. Zudem wurden die Ausländerbeschränkungen für EU-Bürger fallen gelassen. Der heute 51-jährige Bosman sprach damals von einem "historischen Tag", was sich in weiterer Folge bewahrheiten sollte.

Artikel 48

Grundlage des Urteilsspruches bildete der Artikel 48 des EWG-Vertrages, der die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU garantiert. Die Freizügigkeit von Personen ist als eine von vier EU-Grundfreiheiten seit den Verträgen von Nizza 2003 durch Artikel 39 EUV (Vertrag über die Europäische Union) geregelt. Später ging diese Bestimmung in Artikel 45 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) auf. Demnach kann jeder EU-Ausländer zu denselben Bedingungen wie ein Inländer seinen Arbeitsplatz frei wählen.

In zeitlicher Hinsicht wurde seitens des EuGH keine Übergangsphase zur Anpassung der Transferregellungen gewährt. Das Urteil hatte sofortige Wirkung und traf die Vereine meist völlig unvorbereitet, da viele wichtige Spieler nach Vertragsende ablösefrei oder gegen eine geringe Ausbildungsentschädigung wechseln konnten.

Kluft verstärkt

Durch Bosman wurde die Kluft zwischen "Arm und Reich" verstärkt. Nur noch Vereine aus den finanzstarken Ligen haben eine reelle Chance, sich in der europäischen Elite zu etablieren. Auch verschob sich die Macht weg von den Vereinen hin zu den Spielern und deren Managern.

Hart traf das Urteil Ajax Amsterdam, das 1995 in Wien durch ein Tor von Patrick Kluivert die Champions League gewann. Das Team von Trainer Louis van Gaal, das sich fast nur aus Eigenbauspielern zusammensetzte, zerfiel in den Jahren darauf zusehends und ist derzeit in der Eliteliga nach dem Qualifikations-Aus gegen Rapid nicht einmal vertreten. Ajax und der FC Porto 2004 waren die bisher letzten Vereine aus finanzschwachen Ligen, denen der Champions-League-Triumph glückte.

Auch österreichische Clubs verloren in den Folgejahren viele ihrer wichtigsten Spieler ablösefrei. Bosman sorgte nicht nur für zahlreiche Transfers in die EU, Österreich entwickelte sich nach dem Urteil zu einem Fußballimportland meist zweit- oder drittklassiger Legionäre. Überdies erwiesen sich zahlreiche Gentlemen-Agreements, welche für eine Regulierung sorgen sollten, als zahnlos.

"Fall Karpin"

Durch das "Bosman-Urteil" fühlten sich Nicht-EU-Ausländer diskriminiert, was schließlich zum "Fall Karpin" führte. Der russische Nationalspieler Waleri Karpin vom spanischen Erstligisten Celta de Vigo klagte zur Winterübertrittszeit 2000/01 vor einem Madrider Arbeitsgericht auf Gleichstellung mit EU-Fußballern und bekam Recht.

Noch im März 2001 entschieden deshalb EU-Kommission, der Fußball-Weltverband FIFA und der Europäische Fußball-Verband UEFA, neue Transferregelungen zu vereinbaren. Dieser Beschluss wurde dann im Juni desselben Jahres in die Realität umgesetzt, womit das "Bosman-Urteil" weltweit Gültigkeit erlangte.

Trotzdem blieb nationalen Verbänden die rechtlich nicht verbindliche Beschränkung der Nicht-EU-Ausländer selbst überlassen. In der österreichischen Bundesliga gibt es keine Obergrenze, ein in der Saison 2004/05 eingeführter "Österreicher-Topf" soll aber den Einsatz heimischer Spieler fördern. Vereine, bei denen mindestens zwölf von 18 Akteuren am Matchbericht für die österreichische Nationalmannschaft spielberechtigt sind, werden von der Liga finanziell unterstützt. Allerdings ist die Regelung nicht verbindlich, Red Bull Salzburg kann es sich leisten, auf diese Gelder zu verzichten und setzt regelmäßig mehr Legionäre ein.

Fußball-Exportland

Aus diesem Grund und weil immer mehr Bundesligisten eine Akademie betreiben, entwickelte sich Österreich in den letzten Jahren zu einem Fußball-Exportland. Viele Spieler wie etwa David Alaba oder Marko Arnautovic wechselten bereits in jungen Jahren in Top-Ligen, was derzeit auch an den Erfolgen des erstmals sportlich für eine EM qualifizierten ÖFB-Teams zu sehen ist.

Andere wie Zlatko Junuzovic oder Alexander Dragovic holten sich ihren ersten Schliff in der heimischen Bundesliga, um dann den Wechsel in eine stärkere Liga zu wagen. Der heimische Markt wird geradezu überschwemmt mit gut ausgebildeten Spielern, was zur Folge hat, dass zahlreiche Fußballer keinen Job bei einem der 20 Bundesligisten finden und auch das Gehaltsniveau bei finanzschwachen Clubs niedrig ist. Dieses Phänomen lässt sich auch international beobachten, da immer mehr Spieler auf den europäischen Markt drängen.

Generell schreibt die FIFA derzeit zwei Transferperioden vor, nämlich von 1. Juli bis 31. August und von 1. Jänner bis 31. Jänner. Für arbeitslose Profis wurden die Transferregeln aber gelockert, diese können sich jederzeit einen neuen Club suchen.

Sozialempfänger

Im Gegensatz zu vielen Fußball-Profis profitierte Jean-Marc Bosman von dem EuGH-Entscheid am wenigsten. Erst Jahre nach dem Prozessbeginn bekam er 780.000 Euro Entschädigung zugesprochen. Zudem verarmte der Belgier zusehends und musste 2013 letztendlich sogar für ein Jahr ins Gefängnis. Bosman hatte 2011 unter Alkoholeinfluss seine Freundin und deren Tochter geschlagen und missachtete daraufhin 2012 die Bewährungsauflagen. Heute ist er Sozialhilfe-Empfänger.