Vier Tage nach den Anschlägen von Paris hat die Angst vor ähnlichen Angriffen auch Deutschland fest im Griff: Die Behörden sagten wegen eines Hinweises auf einen geplanten Sprengstoffanschlag das am Dienstagabend angesetzte Fußball-Länderspiel Deutschland gegen Niederlande kurzfristig ab.

Das Stadion in Hannover wurde evakuiert. Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius sagte anschließend, Sprengstoff sei zunächst nicht entdeckt worden. Es habe auch keine Festnahmen gegeben. Wenig später sorgte ein verdächtiger Gegenstand erneut für Aufregung in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Die Polizei sprengte diesen nach eigenen Angaben aus Sicherheitsgründen im Hauptbahnhof. Laut einer Polizeisprecherin handelte es sich um eine Sprengstoff-Attrappe. Gefahndet wird nun nach dem Mann, der das Paket dort liegen ließ. Eine Mitreisende haben ihn darauf aufmerksam gemacht, dass er etwas vergessen habe. Der Reisende hatte aber nicht darauf reagiert, sondern den Zug verlassen und war geflüchtet.

Nicht festlegen

Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein niedersächsischer Amtskollege Boris Pistorius (SPD) erklärten sich zunächst auf einer Pressekonferenz ab 21.30 Uhr. De Maizière wollte aus ermittlungstaktischen Gründen auf Bombenhinweise keine Antwort geben. "Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern", sagte der Innenminister. Sie würden das Verhalten verändern und möglicherweise auf die Hinweisgeber bewegen, in Zukunft keine Tipps mehr zu geben, begründete de Maizière sein Schweigen. "Ich bitte das deutsche Volk um einen Vertrauensvorschuss und um das Verständnis, dass wir gute Gründe haben, Einzelheiten nicht so darzulegen, dass für uns in Zukunft alles erschwert wird."

Aus Sicherheitskreisen hieß es, dass eine Warnung vor nordafrikanische Terroristen von einem französischen Geheimdienst bereits 30 Stunden vor dem Spiel kam. Nach Informationen der DPA hat es vier Tage nach den Anschlägen von Paris den entscheidenden Hinweis auf ein drohendes Attentat mit islamistischem Hintergrund gegeben. "Es hat die konkrete Warnung vor einem Sprengsatz im Stadion gegeben", sagt Volker Kluwe, der Polizeipräsident von Hannover. „Der entscheidende Hinweis hat uns circa 15 Minuten nach Öffnung der Tore erreicht.“

Rettungswagen mit Sprengstoff

Laut Informationen der „Syker Kreiszeitung“ soll im Bereich des Stadions „ein sogenannter Gefährder gesichtet worden sein, der den Behörden bekannt ist. Sicherheitskräfte haben zudem einen Rettungswagen entdeckt, in dem sich Sprengstoff befand.“ Der niedersächsische Innenminister Pistorius wollte diese Informationen nicht bestätigen. Auch sonst hätten die Ermittler nach Aussagen des SPD-Politikers zunächst keinen Sprengstoff im Stadion gefunden. Es habe zunächst auch keine Festnahmen gegeben.

Sicherheitskräfte vor der Arena
Sicherheitskräfte vor der Arena © (c) APA/dpa

Im Stadion war nach Informationen der Zeitung nach der Absage ein Lagezentrum mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius gebildet worden. Nach der Absage des Fußballspiels in Hannover durchsuchen Sondereinsatzkräfte der Polizei das Stadion und umliegende Gelände. Hannovers Polizeipräsident Volker Kluwe sagte in der ARD, es sei nicht klar, was mögliche Terroristen nach der Absage des Spiels nun alternativ tun würden.

Die Polizei war bereits direkt nach der Absage des Spiels mit unzähligen Mannschaftswagen vorgefahren, das Gebiet ist nach Angaben von Augenzeugen weiträumig abgesperrt worden. Vermummte und schwer bewaffnete Einsatzkräften rannten in das Stadion. Die deutsche Mannschaft war schon auf dem Weg ins Stadion, wie Sprecher Jens Grittner erklärt. Die "Bild" meldete um 22 Uhr, dass am Hauptbahnhof Hannover die Gleise 9 bis 14 gesperrt worden seien. Ein verdächtiger Gegenstand befinde sich nach Angaben der Bundespolizei in einem InterCity.

In London wusste man freilich von der Absage, das Spiel zwischen England und Frankreich im Wembley-Stadion wurde aber plangemäß um 21 Uhr angepfiffen werden.

Zuvor hatten die britischen Fans in einer Solidaraktion die französische Nationalhymne Marseillaise mitgesungen (das Video dazu finden Sie hier) und eine riesige Tricolore-Choreographie in der Kurve gezeigt, die Mark Perryman organisiert hat.

Anschließend gedachten die Zuschauer in einer Schweigeminute im Stadion den Opfern der Pariser Anschläge unter den Augen von Frankreichs Premier Manuel Valls.

Merkel im Stadion

Zum Zeitpunkt der Absage des Spiels gegen 19.15 Uhr waren kaum Zuschauer im Stadion. Sie wurden per Lautsprecher aufgefordert, den Stadionbereich zu verlassen."Meine Damen und Herren, meine liebe Fußballfreunde, es tut mir leid, aber das Spiel ist kurzfristig abgesagt worden. Bleiben Sie bitte ruhig! Es ist keine Gefahr im Anmarsch oder sonst irgendwas. Gehen sie einfach ganz normal nach Hause!", so die Durchsage der Polizei. Zu diesem Zeitpunkt war Kanzlerin Angela Merkel bereits im Stadion.

Der Polizeipräsident rief die Menschen in Hannover auf, nach Hause zu gehen und größere Menschenansammlungen - etwa an U-Bahn-Haltestellen oder in Stadionnähe - zu meiden. Zur Begründung sagte er: "Was wir nicht wissen - wenn wir von der Ernsthaftigkeit ausgehen - ist, was diese potenziellen Attentäter dann ersatzweise planen." Die konkreten Anschlagshinweise hätten sich allerdings nur auf das Stadion bezogen.

Leergeräume Arena
Leergeräume Arena © (c) APA/dpa

Nach der Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover kam es im U-Bahn-Verkehr in der Landdeshauptstadt zu Einschränkungen. Derzeit fuhren zwar noch alle Linien, an einigen Haltestellen in der Innenstadt hielten die Bahnen aber nicht mehr. Dies sei auf Wunsch der Polizei angeordnet worden, sagte der Sprecher der Nahverkehrsbetriebe.

Herrenloser Koffer

Knapp eine Stunde zuvor war nach dem Fund eines verdächtigen Gegenstands vor dem Stadion zunächst Entwarnung gegeben worden. Um was es sich genau handelte, wollte eine Sprecherin der Polizei nicht sagen. Nach übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien soll ein herrenloser Koffer die Aufregung verursacht haben. Der Bereich rund um das Stadion war kurzfristig abgesperrt worden.

Bereits den ganzen Tag über waren in Hannover rund 1000 Polizisten mit Maschinenpistolen im Einsatz. Drohung oder Warnung soll im Vorfeld beim LKA aber keine eingegangen sein. Die Polizei begründet die Absage mit Sicherheitsbedenken.

Konzert der Söhne Mannheims findet statt

Kurz nach der Absage des Länderspiels machte auch die Nachricht die Runde, dass die TUI-Arena in Hannover evakuiert worden sei. Hier sollte ein Konzert der "Söhne Mannheims" stattfinden. Wie sich herausstellte, waren diese Informationen falsch, dementierte die "Bild"-Zeitung einen eigenen Bericht. Das Konzert der deutschen Band fabd wie geplant statt. Es habe keine Evakuierung stattgefunden. Dies bestätigten die Polizei Niedersachsen und "Hannover Concerts". So wurden auch über Twitter verdutzte Nachrichten der Fans gepostet, da der Einlass ohne Zwischenfälle stattfand.

Belgien-Spanien abgesagt

Schon in der Nacht auf Dienstag war die Brüsseler Partie Belgien gegen Spanien abgesagt worden. Hier auf Anraten der belgischen Regierung, nachdem die Terrorwarnstufe im Land in Folge der Terroranschläge vom Freitag in Paris auf die dritte von vier Stufen heraufgesetzt worden war.

Auch Helge Schneider musste eine Lesung absagen: