Nicht erst seit dem Ungarn-Spiel hört man folgenden Satz über die Österreicher: „Mit elf Baumgartlingern hätten wir nicht verloren.“ Die Rede ist natürlich von Julian Baumgartlinger. Der 28-Jährige rief als Einziger im ÖFB-Team sein Toplevel ab. „Leider haben die Ungarn ihr Maximum ausgeschöpft. Wir haben als Mannschaft nicht unsere Leistung gezeigt“, sagt Baumgartlinger. Das muss sich gegen Portugal ändern: „Wenn wir da nicht punkten, wird es ganz schwierig, weiterzukommen.“

Im Gegensatz zu einigen Mitspielern ist der Mattseer eine Bank im zentralen Mittelfeld. „Julian ist kein klassischer Abräumer oder Regisseur, sondern er vereint beide Elemente ideal, indem er ein sehr guter Balleroberer und ein exzellenter Ballverteiler ist“, sagt Mainz-Trainer Martin Schmidt, wo Baumgartlinger in der Vorsaison die Kapitänsrolle innehatte.

Wahrer Kenner

Ein Grund, warum es der im Sommer zu Leverkusen Wechselnde wie kaum jemand versteht, Defensiv- und Offensivelemente zu vereinen, ist seine große Leidenschaft zu American Football. „Es ist richtig interessant, wenn man die Regeln versteht. Um in der NFL (Anm. National Football League) mitspielen zu können, ist so viel Qualität nötig“, sagt Baumgartlinger und erklärt, wie er auf Football aufmerksam wurde: „Ich war mit zwei Spielern der Vienna Vikings Heeressportler. Die haben es mir schmackhaft gemacht. Und ich bin nicht mehr davon weggekommen.“

Nicht nur die fünfmonatige Saison in der stärksten Liga der Welt zählt für ihn zum Pflichtprogramm, sondern auch Spiele der Highschool, am College oder der Draft. „Mich interessiert jede Verletzung, jeder Wechsel, ich bin da voll dabei, auch wenn meine Frau hin und wieder schimpft“, erklärt Baumgartlinger seine größte Leidenschaft. Wer es ihm besonders angetan hat? „Tom Brady von den New England Patriots. Er ist der Beste. Aber ich bin kein Fan eines bestimmten Teams.“

Vielmehr sind es gewisse Positionen, auf die er große Aufmerksamkeit legt. „Gerade auf die Quarterbacks schaue ich in der Offensive. Die sind wie ich die Ballverteiler und Spielmacher. In der Defensive handelt es sich um Linebacker und Cornerbacks“, sagt Baumgartlinger.
Lockenkopf

Zur Erklärung: Linebacker sind gegen den Ball die Mittelfeldspieler, die Druck auf die gegnerische Offensive machen und auch für Balleroberungen sorgen sollen. Cornerbacks wiederum sind die Außenverteidiger, die im Football die Manndeckung übernehmen. „Das Spiel zu lesen, Bälle abzufangen und das Antizipieren sind alles Elemente, die ich auch immer wieder brauche.“

Von den Linebackern verehrt Baumgartlinger besonders Luke Kuechly von den Carolina Panthers. „Er ist einer der dominantesten Defensivspieler und wirklich komplett. Von ihm habe ich mir sogar ein Trikot gekauft“, verrät Baumgartlinger, der wie Kuechly seiner Lockenpracht freien Lauf lässt. „In der Kindheit habe ich die Haare immer kurz gehabt, aber mit 16 Jahren gemerkt, dass lange Haare ein Vorteil sein können“, sagt er lachend. „Danach habe ich sie nur noch beim Bundesheer auf acht Millimeter abgeschnitten. Die Locken sind mein Markenzeichen. Sie sparen auch Zeit, ich brauche kein Haargel und keine Bürste.“ Und das Wichtigste: „Meiner Frau gefällt’s.“

MICHAEL LORBER, MALLEMORT