Spanien raus, England raus. Bei der EM haben zwei Titelkandidaten innerhalb weniger Stunden eine bittere Lektion bekommen. Nach dem großen Gezeter über den Turniermodus wird nun ein sportlicher Trend beim Mammut-Event klar. Wer bis ins Finale am 10. Juli ins Stade de France will, braucht eine klare Philosophie und einen ausgeprägten Teamspirit.

1. Im modernen Fußball braucht man ein klares Konzept statt Tradition!

Seit 50 Jahren sehnt sich England nach einem Turniererfolg. Und beruft sich dabei auf? Worauf eigentlich? Mehr als Tradition hatten die "Three Lions" auch diesmal nicht zu bieten, trotz eines Kaders voll mit Premier-League-Profis. Auch in Frankreich fehlte, was wichtiger denn je ist: Eine klare Spielphilosophie. Ein Konzept. Als es gegen Island schlecht lief, fehlten Automatismen und Alternativen.

Das Gegenbeispiel liefern die Isländer. "Sie sind super organisiert", sagte Bundestrainer Joachim Löw. Und: "Sie haben eine sehr gute defensive Struktur." Gleiches gilt auch für Englands kleinen Nachbarn Wales. Mit diesen Eigenschaften können starke Kollektive die höhere fußballerische Qualität ihrer Gegner ausgleichen.

2. Der Starkult hat ausgedient, es kommt auf das Kollektiv an!

Schwedens Zlatan Ibrahimovic aus Jobsuche in England. Österreichs David Alaba im Sommerurlaub. Mannschaften mit einem Superstar haben es in Frankreich nicht weit gebracht - oder ihr System angepasst. Wales hat Erfolg, weil sich ihr klarer Anführer Gareth Bale uneitel in die Gruppe einfügt, sportlich Akzente setzt, aber seine Rolle auf und neben dem Platz dem Teamgedanken unterordnet. Gerade den Schweden um Ibrahimovic gelang das nicht. Der Superkönner wirkte wie ein überqualifizierter Fremdkörper. Österreich schob seinen Alleskönner von einer Position auf die andere.

Der neue Kollektivismus macht auch vor dem größten aller Superstars nicht halt: Cristiano Ronaldo. Portugals Trainer Fernando Santos opferte die Qualitäten seines Besten gegen Kroatien für die Taktikvariante "Defensiv arbeiten, statt vorne zaubern". Das Rezept ging auf und Portugal ist noch im Turnier.

3. Die lange Saison fordert ihren Preis, das bekommen gerade Spanier und Engländer zu spüren!

Das Wehklagen ist nicht neu. Schon David Beckham beschwerte sich 2002 über die kräftezehrende Saison in der Premier League, die einen WM-Erfolg Englands in Japan und Südkorea torpediert habe. Auch Titelverteidiger Frankreich um den angeschlagenen Zinedine Zidane suchte damals so nach einer Entschuldigung für das peinliche Aus. Deutschlands Joachim Löw plädiert auch nicht ohne Grund seit jeher für eine vernünftige Winterpause, wie es sie in der Bundesliga gibt.

Tatsächlich sind die Akteure aus England und Spanien durch die hohen Belastungen in ihren Ligen mehr gefordert als andere. 2014 spielten fast alle Akteure von Real Madrid nach dem Champions-League-Sieg eine schwache WM. Das Phänomen wiederholte sich in diesem Jahr. Aber: Es gibt die Ausnahmen. Der Franzose Antoine Griezmann von Atletico Madrid spielt eine gute EM. Toni Kroos von Real Madrid ist eine verlässliche Stütze im deutschen Spiel.