Lange muss Daniel Schafzahl nicht nachdenken. Auf die Frage, ob die Sitten auf den Fußballplätzen rauer geworden sind, antwortet der Polizist, der als Fan-Betreuer den SK Sturm durch halb Europa begleitet hat, wie aus der Pistole geschossen: "Ja. Die Hemmschwelle ist in den letzten Jahren deutlich gesunken."

Seit 1998 steht Schafzahl im Fan-Sektor der Grazer und hält Kontakt zur Szene, um etwa verabredete Schlägereien zu verhindern. "Die Jungen werden immer respektloser. Auch der Exekutive gegenüber", sagt Schafzahl. Zudem seien sie auch feig und im Ernstfall schwer zu stellen. "Wenn es zu Zusammenstößen mit Fans der Rivalen kommt, werfen sie aus der dritten, vierten Reihe Steine, tauchen in der Menge ab, laufen davon und lassen damit auch ihre Kollegen im Stich", sagt Schafzahl. Der Nachwuchs im Fanblock wolle Aufmerksamkeit erregen und etwas beweisen. "Für viele von ihnen gibt es nur den Fußball. Das ist ihr Ein und Alles, dort bauen sie dann ihren Frust ab." Außerdem hätten sie zu Hause von den Eltern nicht mehr gelernt, wie man sich respektvoll verhält und wo die Grenzen sind. "Das ist aber kein Problem des Fußballs alleine, sondern eines unserer Gesellschaft", sagt Schafzahl.

Trotzdem nimmt er auch die Vereine - in diesem Fall eben den SK Sturm - in die Pflicht. "Ich vermisse, dass sich der Verein klar und deutlich von solchen Hooligans, die Böller werfen und Schals anzünden, distanziert. Denn der Klub kennt diese Typen ganz sicher."

"Wie eine Morddrohung"

Klinisch sauber müsse die Atmosphäre deswegen ja trotzdem nicht sein. "Überall in Europa werden Spieler, die zu einem Rivalen gewechselt sind, bei jedem Ballbesitz gnadenlos ausgepfiffen. Das gehört auch dazu, denn der Fußballplatz ist kein Opernball", sagt Schafzahl. Mit den üblen Schmähungen gegen Florian Kainz sei aber eine Grenze überschritten worden. Wenn Schals oder Dressen brennen, wie beim Spiel von Sturm gegen Rapid, fühlt sich Schafzahl an die Kriege im Nahen Osten erinnert, wenn Iraker etwa die Flagge der USA verbrennen. "Das ist ja fast wie eine Morddrohung." Handhabe gegen solche "Fans" gebe es aber kaum. "Wenn jemand sein Eigentum zerstört, ohne andere zu verletzen oder in Gefahr zu bringen, können wir nicht viel machen", sagt der Polizist.

Wie man der Sache Herr werden könne? "Die Kurve muss sich selbst reinigen. Nur dauert das eben mehrere Jahre." In Deutschland und England habe das funktioniert. "Gefragt sind jetzt die älteren Fans, die den Jungen ihre Grenzen aufzeigen oder sie aus den Sektoren werfen sollten", sagt Schafzahl. Denn bei vielen Fans, mit denen er schon seit vielen Jahren gut zusammenarbeitet, die großteils schon Familie haben und im Berufsleben stehen, merkt er, dass es moralische Grenzen gibt. "Auch wenn das oft gewaltbereite Leute sind, wissen sie doch, dass gewisse Aktionen dem Image des Vereins schaden. Die Köpfe der Kurve werfen keine Knaller oder verbrennen Dressen." Darum haben sie auch den Böller-Werfer beim Cup-Spiel gegen Rapid in Wien selbst aus dem Sektor entfernt.

Eine weitere Möglichkeit sieht Schafzahl in der Personalisierung der Eintrittskarten. Dann könnten die Stadionverbote besser überwacht werden. Und im Falle eines Vergehens könnte das Ticket entzogen und der Täter gesperrt werden. "Und die Sperre sollte dann gleich auf mehrere Generationen ausgedehnt werden, wie das in England der Fall ist." Solche Maßnahmen würden den Selbstreinigungsprozess unterstützen.

Wie geschmuggelt wird

Vorsorgend könne man meist nur das Zusammentreffen der rivalisierenden Fan-Gruppen verhindern, nicht aber, dass ein Sauschädel oder Böller ins Stadion gelangen. "Die Fan-Gruppen sind oft schon vor den Einsatzkräften im Stadion, um Choreografien vorzubereiten." Und bei Böllern reichen Leibesvisitationen oft nicht aus. So ist beispielsweise auch schon vorgekommen, dass weibliche Fans Knallkörper vaginal einführen und auf die Tribüne schmuggeln.