Rau, kalt, zehrend und viel Gegenwind. So gestalten sich nicht nur die klirrend-kalten Winter im kanadischen Winnipeg, eine der kältesten Großstädte der Welt, die daher eine immense unterirdische Infrastruktur aufweist. Das alles erwartet auch Thomas Raffl in den nächsten Wochen bei den ansässigen Jets im NHL-Trainingscamp.

Über 60 Eishockey-Spieler kämpfen um einen der begehrten 25 Kabinen-Plätze, die mit einem Vertrag im exklusiven Kreis der NHL gleichzusetzen sind. Die Tatsache, dass für Raffls Position lediglich drei Plätze vakant sein sollen, erleichtert die Aufgabe nicht. Einen Erfolg konnte der Villacher hingegen bereits verbuchen: Er bestand ein intensives Auswahlverfahren, um überhaupt ins Camp eingeladen zu werden. Seit etwa Jänner wird hinter den Kulissen an Raffls NHL-Chance gearbeitet und verhandelt. Wer ihn für die Jets eigentlich gefunden habe, fragten sich die kanadischen Reporter? „Ein streng geheimer Undercover-Mann“, antwortete Winnipeg-Trainer Paul Maurice amüsiert. Doch so unbekannt ist dieser Mann gar nicht, zumindest hierzulande. Winnipeg-Scout Peter Ratchuk (Ex-KAC-Verteidiger), der die EBEL sehr gut in Erinnerung hat, spielte für Raffls Einladung keine unwesentliche Rolle.

Spärlicher Markt

Die Scouting-Reports über Raffl beschreiben den 29-jährigen Flügelstürmer als athletischen, körperbetonten Spieler mit Stärken bei Schüssen, in Zweikämpfen und Puckbehandlung. Qualitäten, von denen sich die Jets nun vor Ort überzeugen möchten. „Thomas stand bei Winnipeg ganz oben auf der Liste“, erzählt Raffl-Manager Patrick Pilloni, der in der NHL von Jerry Buckley vertreten wird. Ein Umstand könnte dem Villacher in die Karten spielen: Nahezu alle Teams versuchen in ihren Angriffsreihen vermehrt Spieler, die mit Scoring-Fähigkeiten ausgestattet sind, zu besetzen. Winnipeg ist keine Ausnahme.

Sogenannten Grinder-Linien (versuchen die gegnerische Taktik notfalls mit Gewalt zu zerstören) wird immer weniger Beachtung geschenkt. Die Jets dürften in Nordamerika nicht fündig geworden sein. Schließlich scheint der Markt für so heiß begehrte, wenngleich vertragslose Spielertypen derzeit spärlich gesät zu sein.

Neben körperlichen Komponenten wird auch die Psyche der Cracks in verschiedenen Spielsituationen unter die Lupe genommen. Über all das will sich Raffl aber nicht den Kopf zerbrechen: „Es ist eine Reise ins Unbekannte“, gesteht er, der vor allem Red Bull Salzburg (erteilte die Freigabe trotz Vertrages) mit Manager Stefan Wagner (federführend bei den Verhandlungen mit Winnipeg) dankbar ist. Ob nach Bruder Michael Raffl und Kumpel Michael Grabner erneut „blaues Bluat“ in der NHL fließen könnte? „Ich werde alles dafür unternehmen und die richtige Leistung abrufen“, verspricht er.

Das scheint ihm zum Trainings-Auftakt gelungen zu sein. „Er hat einen guten Eindruck hinterlassen. Wir wollen ihn unbedingt in Testspielen einsetzen und sehen, wie er unter den neuen Bedingungen sowie mit der höheren Geschwindigkeit umgehen kann“, berichtete Jets-Trainer Maurice. Raffl selbst rückte ebenfalls in den Fokus der Journalisten: „Ich bin ein Typ, der alles für ein Team gibt.“ Und natürlich für seinen Traum, endlich in der NHL zu spielen. Eine Garantie, tatsächlich bei den Winnipeg Jets bleiben zu dürfen, sind derartige Bekundungen klarerweise noch nicht.

So oder so. Für den Villacher gibt es drei Varianten: Ein sofortiger Vertrag, ein Professional Try-out-Vertrag auf bestimmte Spiele limitiert (Two-Way) oder aber ein lapidares „Sorry“ seitens der Jets. Doch vielleicht macht dieses Mal ein schöner Herbst einen milden Winter in Winnipeg. Zumindest für Thomas Raffl.

MARTIN QUENDLER