Gastgeber Russland gilt als einer der Favoriten der am Freitag beginnenden Eishockey-WM. Allerdings hat die "Sbornaja" seit dem Ende der Sowjetunion 1991 kein Heim-Turnier mehr gewonnen. Zuletzt 2007 reichte es "nur" zu Bronze. Außerdem wollen die Russen Revanche für die 1:6-Finalschlappe gegen Erzrivale Kanada 2015 in Prag - am liebsten im Endspiel am 22. Mai in Moskau.

Doch die Stimmung im Team von Trainer Oleg Snarok ist angespannt. Für Wirbel sorgt vor allem die Flucht von Alexander Radulow vor wenigen Tagen: Statt zum Treffen der Nationalmannschaft flog der Stürmerstar von ZSKA Moskau eigenmächtig in die USA, um über seine mögliche Rückkehr in die NHL zu verhandeln. Während Radulow begnadigt wurde, bleibt Ilja Kowaltschuk suspendiert. Der Stürmer von SKA St. Petersburg hatte nach dem Play-off-Aus in der Kontinentalen Hockey-Liga (KHL) die Clubführung kritisiert.

Gold wird erwartet

Zu allem Überfluss berichten Medien auch noch über einen angeblich schleppenden Ticketverkauf vor der WM. Doch trotz aller Widrigkeiten: Russland - und vor allem Präsident Wladimir Putin - erwartet von der Sbornaja nichts anderes als Gold. Mit dem Weltmeistertitel im Nationalsport Nummer eins soll auch die Schmach von Sotschi 2014 getilgt werden. Damals schied Russland bei den Olympischen Winterspielen in der Heimat bereits im Viertelfinale nach einem 1:3 gegen Finnland aus. Verlieren verboten lautet daher das Motto für das Team von Snarok.

Der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts machen Russlands Wirtschaft stark zu schaffen. Dennoch kleckert der Gastgeber der 80. Eishockey-WM nicht. Für den Turnierteil, der in Moskau ausgetragen wird, steht im Süden der Hauptstadt der neu gebaute VTB Eispalast mit rund 12.000 Plätzen. Namensgeber ist Russlands zweitgrößte Bank VTB, und das zeigt bereits die enge Verzahnung von Sport, Wirtschaft und Politik in Russland.

Beim jüngsten KHL-Finale zwischen ZSKA Moskau und Magnitogorsk (3:4) saß Putins Verwaltungschef Sergej Iwanow auf der Ehrentribüne neben dem Präsidenten der Internationalen Eishockey-Föderation, Rene Fasel. Eine Reihe weiter: der Putin-Vertraute und Chef von Russlands größtem Ölkonzern Rosneft, Igor Setschin, sowie diverse Oligarchen.

Auf dem Weg zur Sportgroßmacht

Ohne die Millionen des vom Kreml kontrollierten Energieriesen Gazprom wäre die KHL, die sich als Konkurrent der nordamerikanischen Profiliga NHL sieht, schnell geschrumpft. Die Verflechtung von Sport und Politik ist in Russland selten so spürbar wie im Eishockey.

Bevor Putin in zwei Jahren die Welt zur Fußball-WM in Russland empfängt, soll das Eishockey-Turnier dem Riesenreich Glanz verleihen. Berichte über Doping kratzen massiv am Image der Sportgroßmacht. So droht Russlands Leichtathleten wegen des massiven Dopingskandal, der im November aufgedeckt worden ist, die Sperre bei den Olympischen Spielen im August in Rio. Zur Nachwuchs-Eishockey-WM in den USA musste Russland vor kurzem seine U17-Spieler schicken, weil bei vielen Akteuren der U18-Mannschaft das Dopingpräparat Meldonium festgestellt worden war.

Putin will mehrere Spiele der Eishockey-WM besuchen und dabei auch nach St. Petersburg kommen, dem zweiten Veranstaltungsort des Turniers. In der ehemaligen Zarenstadt trägt die deutsche Mannschaft ihre Vorrundenspiele aus - aber das ist für den Präsidenten wohl nicht entscheidend: St. Petersburg ist Putins Heimatstadt.