Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist optimistisch, dass die Briten am morgigen Donnerstag nicht für einen Brexit stimmen werden. Anhand jüngster Umfragen sei dies zu hoffen, meinte Kern am Mittwochvormittag auf dem Flug zu seinem Antrittsbesuch bei der EU-Kommission in Brüssel. Aber selbst wenn Großbritannien ausscheiden sollte, sei kein Grund zu Panik gegeben.

Ein Hauch von Mark Twain

"Die Nachricht vom Ableben Europas halte ich für sehr übertrieben", sagte der SPÖ-Politiker und nahm dabei Anleihen beim amerikanischem Autor Mark Twain. Er befürchte auch keinen "Dominoeffekt" in dem Sinn, dass EU-skeptische Staaten der Reihe nach aus der Union austreten könnten. "Wir müssen da einen vernünftigen Prozess entwickeln."

"Wie schaffen wir Beschäftigung?"

Im Grunde seien derzeit zwei Fragestellungen in Europa vorrangig, so Kern. "Wie schaffen wir Beschäftigung und stärken den Wirtschaftsstandort Europa?" Zudem müsse in der Migrationsfrage gezeigt werden, dass "Kooperation in Europa einen Mehrwert bringt".

Als demnächst abzuarbeitende Themen nannte Kern unter anderem den Umgang mit China, das beispielsweise dank einer Überproduktion Stahl zu Dumpingpreisen in die EU bringe. Hier müsste man auch die geltenden Zollbestimmungen überdenken. Ähnliches treffe für Aluminium, Glas und Papier zu.

"Das soll jetzt kein China-Bashing sein", so Kern. Allerdings stehe gegen Jahresende die Entscheidung an, ob China als Marktwirtschaft einzustufen sei. Daher müssten entsprechende Entscheidungen schneller getroffen werden als bisher. Eine Einstufung Chinas als Marktwirtschaft durch die WTO würde Maßnahmen zum Schutz der europäischen Wirtschaft erschweren.

Auch bei den Arbeitsmarktregelungen für EU-Bürger müssten einige Themen geklärt werden, meinte Kern. So dürfe bei der Entsenderichtlinie nicht nur das Prinzip "gleicher Lohn am gleichen Ort" gelten, vielmehr müssten zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit etwa auch Fragen wie gleiche Sozialversicherungsbeiträge geregelt werden.

Bezüglich der Verlängerung der EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland um sechs Monate sagte der Kanzler: "Wir werden uns solidarisch einfügen. Ich glaube aber, dass man einen schrittweisen Überprüfungsprozess einleiten soll - und nicht erst nach sechs Monaten." Immerhin sei Russland ein wichtiger Wirtschaftspartner.

Kern traf nach der Ankunft in Brüssel mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammen. Er wird auch an der Sitzung der EU-Kommission teilnehmen, die am heutigen Mittwoch das Thema Brexit behandelt.

Weiters soll es Gespräche mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini sowie EU-Ratspräsident Donald Tusk geben. Dabei soll es eben um aktuelle Fragen wie das EU-Referendum in Großbritannien (Brexit) am Donnerstag, die Migrationskrise sowie um österreichische Anliegen gehen. Bei Mogherini wird die gemeinsame europäische Außenpolitik im Mittelpunkt stehen. Am Nachmittag trifft Kern zudem mit dem österreichischen Erweiterungskommissar Johannes Hahn zusammen.

SPÖ-Parteitag kürt Kern am Samstag auch offiziell zum Chef

Kanzler ist Christian Kern schon, jetzt wird es auch etwas mit dem Parteivorsitz. Der SPÖ-Parteitag kürt den 50-jährigen Wiener kommenden Samstag zum Chef der österreichischen Sozialdemokratie. Die Messlatte, die ihm Werner Faymann hinterlassen hat, ist nicht allzu hoch. Beim vergangenen Parteitag vor zwei Jahren erhielt dieser gerade einmal 83,9 Prozent.

Der Parteitag, der in der Messe Wien in Szene geht, ist jedenfalls ganz auf den neuen Vorsitzenden zugeschnitten. Die inhaltlichen Diskussionen auch rund um das neue Parteiprogramm wurden ebenso auf einen weiteren Parteitag verschoben, der frühestens im November, möglicherweise aber auch erst im kommenden Jahr stattfindet, wie die Frage, nach welchen Kriterien man künftig Koalitionspartner auswählen will.

Nach eröffnenden Worten des neuen Bundesgeschäftsführers Georg Niedermühlbichler und einem Referat von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) wird quasi die Bühne für Kern geräumt. Im Anschluss darf über dessen Rede noch ein wenig debattiert werden, ehe es zu den Urnen geht.

Wie bei der SPÖ üblich wird zunächst der Vorstand gewählt. Das Ergebnis dort ist meist schon ein untrügliches Zeichen, wie es bei der anschließenden Wahl von Präsidium und Vorsitzenden aussieht. Bei den Stellvertretern des Chefs wird es übrigens eine markante Änderung geben. Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil übernimmt den Posten von Landeshauptmann Hans Niessl, was auch als Fingerzeig für dessen Nachfolge gilt. Ebenfalls zu neuen stellvertretenden Vorsitzenden werden die erst jüngst gekürte oberösterreichische Landeschefin Birgit Gerstorfer sowie Klubobmann Andreas Schieder. Gesamt hat Kern dann 16 Stellvertreter.