Der Fall des Lungenfacharztes Gernot Rainer ließ Ende April die medialen und politischen Wogen hochgehen. Der Mediziner war im Wiener Otto-Wagner-Spital tätig. Der Krankenanstaltenverbund, ein Unternehmen der Stadt, hatte seinen Dienstvertrag jedoch nicht verlängert. Rainer vermutet politische Motive dahinter. Er hatte unter dem Namen „Asklepios“ eine Gewerkschaft gegründet und sich für die Rechte von Spitalsärzten starkgemacht. Der gebürtige Klagenfurter übte zudem Kritik am Spitals- und Gesundheitswesen der Stadt. Diese kritische Haltung habe ihn den Kopf gekostet, so der Mediziner, der nun eine Fixanstellung einklagen will. Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung spricht Rainer über seinen Kampf gegen die Stadt, das Finanzierungschaos im heimischen Gesundheitssystem und über die skurrile Vergabe von Gewerkschaftsanerkennungen.

"Jeder kann eine Gewerkschaft gründen"

Doktor Rainer, wie kam es zum Ende der Zusammenarbeit zwischen Ihnen und der Stadt Wien?
GERNOT RAINER: Mein Vorgesetzter verfasste eine Empfehlung für meine Anstellung, jedoch mit dem Verweis, ich würde mich nicht mit den Interessen der Stadt identifizieren. Das Ansuchen wurde durch diverse Instanzen gewunken und erst in der Kommission wurde entschieden, dass ich draußen bin. Ich vermute, dass keine Einzelperson verantwortlich sein wollte. Wenn eine Kommission entscheidet, klingt das besser. Die Absprache der Identifikation kann aus meiner Sicht nur mit der von mir gegründeten Gewerkschaft zu tun haben.

Ihrer Gewerkschaft „Asklepios“ wurde nie ein Gewerkschaftsstatus zuerkannt.
RAINER: Jeder kann eine Gewerkschaft gründen. In Österreich gibt es aber ein Unikum namens Kollektivvertragsfähigkeit. Diese meint das Recht, Kollektivverträge für die Mitglieder aushandeln zu können. Für die im Landesdienst befindlichen Ärzte ist das sinnlos, sie haben keine Kollektivverträge.

Hätten Sie sich diese Fähigkeit auf dem Papier holen können?
RAINER: Die wird einem vom Bundeseinigungsamt zuerkannt, einer Einrichtung, die kaum jemand kennt. Die gibt den Antrag der Ärzte- und Wirtschaftskammer weiter. Beide haben abgelehnt, und somit auch das Amt. Und dann wird gleich davon gesprochen, keine Gewerkschaft zu sein, obwohl man eine ist. Besonders skurril war, als beim Termin im Vereinigungsamt plötzlich ein Vertreter des Österreichischen Gewerkschaftsbundes am anderen Ende des Tisches saß.

Wie man sich Konkurrenz vom Leibe hält

Also die Konkurrenz?
RAINER: Sozusagen. Mein Anwalt hat den Juristen dann gefragt, was er hier macht, und er meinte, „das haben wir immer schon so gemacht“. Nach erneuter Nachfrage hat der Herr dann seinen Aktenkoffer gepackt, ist aufgestanden und gegangen. Ein äußerst seltsamer Moment.

Die Ärztekammer, die sich damals gegen Ihre Gewerkschaft gestellt hatte, stellte sich schützend vor Sie, als Sie ausritten, um gegen die Stadt Wien zu kämpfen. Wie passt das zusammen?
RAINER: Ich glaube, die Kammer wollte einfach eine Parallelstruktur vermeiden. Man will keine freiwillige Gewerkschaft neben ihrer gesetzlichen Vertretung. Als die Geschichte jedoch mediale Wellen schlug, musste man sich zu Wort melden. Und so konnte man sich auch profilieren.

Sie vermuten zudem Ihre Kritik am Spitalswesen als Mitgrund für den Rauswurf. Was haben Sie kritisiert?
RAINER: Unter anderem das Elend der unterschiedlichen Finanzierungstöpfe. Das Land finanziert das Spitalswesen, die Kassen finanzieren den niedergelassenen Bereich. Wenn im Spitalssektor zurückgefahren, draußen jedoch nicht hochgefahren wird, kommt es zu einer Unterversorgung, der Patient wird hin und her geschoben. Die Folge: Er flüchtet in die Arme von privaten Ärzten. Und er zahlt damit dreifach: Steuern, Sozialabgaben und die Privatmedizin. Das halte ich für eine Riesensauerei.

Ein weiteres Argument der Gegenseite für die Nichtverlängerung ist, dass Ihre Mitarbeiterbewertung nicht nur positiv ausgefallen sei. Sie hätten sich beispielsweise geweigert, Nachtdienste zu übernehmen. Was sagen Sie zu dieser Anschuldigung?
RAINER: Sie ist perfide. Ich war damals in Elternteilzeit und hatte einen Vertrag, in dem explizit stand, dass ich zwei Nachtdienste pro Monat mache und die restlichen Stunden in den Tag lege. Ich bin geschieden, wir haben das gemeinsame Sorgerecht. Da muss die Versorgung gewährleistet sein. Und jetzt macht man mir zum Vorwurf, dass ich mich an diesen Vertrag gehalten habe. Sonst war man ja zufrieden mit meiner Leistung.

Zu diesem Schluss kam auch die Volksanwaltschaft, die in einer unabhängigen Untersuchung Ihres Falles keine Gründe für Ihre Freistellung finden konnte. Es sei nur Positives über Sie vermerkt worden. Hat Sie das in Ihren Bemühungen bestärkt?
RAINER: Definitiv. Die Volksanwaltschaft hat ja immerhin nicht auf mein Zurufen untersucht, sondern von sich aus den Fall aufgegriffen. Wenn sogar eine unabhängige Stelle zu diesem Schluss kommt, freut mich das natürlich.

Sollten Sie mit Ihrer Klage gegen die Stadt erfolgreich sein: Wollen Sie wirklich für eine Organisation arbeiten, die Sie nicht will?
RAINER: Das wird sicherlich nicht einfach. Aber die Kollegen und die Arbeit sind es mir Wert. Ich habe auch andere Angebote in anderen Städten erhalten, aber mein Kind und mein Leben sind in Wien. Ich sehe nicht ein, warum ich das alles aufgeben soll.
INTERVIEW: CHRISTINA TRAAR