"Ich danke für dieses Vertrauen", meinte Van der Bellen vor Vertretern der in- und ausländischen Presse im Wiener Palais Schönburg. Seinem knapp unterlegenen FPÖ-Konkurrenten Norbert Hofer zollte er "persönlichen Respekt und Anerkennung" und gratulierte ihm "bei aller inhaltlichen Differenz" zu einem "sehr engagierten Wahlkampf". Den Österreichern dankte Van der Bellen ganz generell dafür, "dass sie zur Wahl gegangen sind". Seine Mitgliedschaft bei den Grünen werde er ruhend stellen, kündigte Van der Bellen an.

Das Wahlergebnis vom Sonntag sieht Van der Bellen nicht als Rechtsruck. Unzufriedene Wähler hätten sich aus Zorn oder aus Angst um den Arbeitsplatz einer großen Oppositionspartei zugewandt. "Das kann man nicht einfach als Rechtsruck abtun", sagte Van der Bellen Montagabend im ORF-"Report". Priorität hat aus seiner Sicht nun die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

FPÖ-Chef Heinz Christian Strache will der künftige Bundespräsident zu einem Gespräch über Europapolitik und andere Themen in die Hofburg einladen. Im Wahlkampf hatte Van der Bellen die Europaskepsis der Partei als mögliches Hindernis für eine FPÖ-geführte Regierung genannt. Einmal mehr sandte Van der Bellen auch ein Signal an seine Kritiker: "Manche halten mich vielleicht für ein bissl abgehoben oder so und diesen Menschen möchte ich sagen, ich weiß, was es heißt, hart zu arbeiten und ich weiß, was es heißt, jeden Euro zweimal umdrehen zu müssen." Denn: "Ich bin ja auch nicht als Professor auf die Welt gekommen."

Am Wahlabend hatte Hofer noch deutlich mit 51,9 Prozent die Nase vorne gehabt. Die Briefwähler drehten die Sache nicht ganz unerwartet. Letztlich trennten die beiden laut dem von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) verkündeten Endergebnis nur 31.026 Stimmen. In Prozenten ausgedrückt kam Van der Bellen auf 50,3 und Hofer auf 49,7 Prozent. Das geht aus dem von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Montagnachmittag verkündeten Ergebnis inklusive Briefwahlen hervor. Die Wahlbeteiligung lag bei 72,75 Prozent. Gesamt konnte Van der Bellen 2,254.484 Stimmen auf sich vereinen, Hofer 2,223.458.

766.076 Stimmen wurden am Postweg abgegeben, 746.110 davon waren gültig - und wählten zu 61,7 Prozent den Grünen Professor. Ziemlich hoch war allerdings der Anteil der ungültigen Stimmen in der Stichwahl. Nach der Auszählung der Briefwahl, wo Van der Bellen sich 460.404 Stimmen holte, lag er um 31.026 Stimmen vor Hofer. Dieser punktete nur bei 38,3 Prozent bzw. 285.706 Wählern - womit sein doch recht deutlicher Vorsprung von 144.006 Stimmen in der Urnenwahl weit mehr als abgeschmolzen war.

Dank der Briefwähler eroberte Van der Bellen auch zwei weitere Bundesländer dazu. Neben Wien und Vorarlberg, wo die Grüne Mehrheit schon am Wahlabend feststand, kamen am Montag noch Oberösterreich und Tirol hinzu. Zudem wurde Eisenstadt in Richtung Van der Bellen gedreht, womit alle Landeshauptstädte für den Grünen abgestimmt haben. Das beste Ergebnis hatte er letztlich in Graz mit 64,4 Prozent, in Wien waren es 63,3, in Innsbruck 63,1 und in Linz 62,8. Knapp unter der 60er-Grenze blieb Van der Bellen in Bregenz (59,4) und Salzburg (58,9), in St. Pölten wählten 56,8 Prozent den Grünen, in Klagenfurt 52,3. In Eisenstadt drehte die Auszählung der Briefwahl das Ergebnis: Van der Bellen erreichte einschließlich Briefwahl 50,34 Prozent der Stimmen.

Hofer selbst hat seine Niederlage via Facebook schon vor der öffentlichen Bekanntgabe des Wahlergebnisses eingestanden und seine Fans gebeten, "nicht verzagt" zu sein. Er hätte gerne als Bundespräsident "auf unser wunderbares Land" aufgepasst und sei daher heute traurig: Der Einsatz für den Wahlkampf sei aber "nicht verloren sondern eine Investition in die Zukunft".

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sah Hofer quasi als Ex aequo-Sieger. Dies sei ein großer Erfolg, da sich das "ganze verkrustete System" gegen den Freiheitlichen "eingehängt" habe. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl erklärte, man werde keine "Wahlanfechtung um der Wahlanfechtung willen" durchführen. Allerdings will die FPÖ am Dienstag im Parteivorstand mögliche "Missstände substanzieller Art" bei der Auszählung der Wahlkarten prüfen. Finde man "wirklich Fleisch am Knochen", wolle man Einspruch erheben.

Die meisten Bundesländer-Ergebnisse lagen bereits um 15.45 Uhr vor. Und in allen hatte sich Van der Bellen deutlich verbessert gegenüber dem Wahltag. So lag der Grüne Professor in der Steiermark inkl. Briefwahl bei 43,78 Prozent, am Wahlsonntag waren es nur 41,32 Prozent. In der Steiermark war vor allem die Landeshauptstadt Graz ausschlaggebend für den bundesweiten Überhang an Stimmen für Van der Bellen.

In Wien kletterte Van der Bellen von 61,16 auf 63,32 Prozent, Hofers Anteil sank entsprechend von 38,84 auf 36,68 Prozent. Nur der Bezirk Simmering votierte bei der Bundespräsidenten-Stichwahl mehrheitlich für den FPÖ-Kandidaten Hofer. In Floridsdorf, das am Sonntag noch blau eingefärbt war, konnte Alexander Van der Bellen seinen Kontrahenten letztendlich überholen - er kam letztendlich auf 51,13 Prozent. In Simmering errang Hofer 50,32 Prozent. Der Abstand betrug dort nur wenig mehr als 200 Stimmen.

Die Wiener und steirischen Briefwähler haben Van der Bellen mehr als die Hälfte dessen an Stimmen gebracht, was er brauchte, um den Vorsprung von Hofer abzubauen. Um 144.006 lag Hofer im vorläufigen Endergebnis Sonntagabend vorne, die Auszählung der Wiener und der steirischen Briefwahl ließ diesen Vorsprung um fast 87.000 Stimmen schmelzen. Aus Kärnten kam ein weiteres Plus von 4.000 Stimmen für Van der Bellen. Vorarlberg lieferte weitere 11.000 Stimmen.

In Oberösterreich kommt Van der Bellen nach Auszählen der Wahlkarten auf 51,32 Prozent, sein blauer Konkurrent erzielte 48,68 Prozent. Noch nach dem ersten Durchgang am 24. April lag Van der Bellen in Oberösterreich mit 20,46 Prozent klar um 15 Prozentpunkte hinter Hofer. In der Stichwahl hat er nun um rund 30 Prozentpunkte zugelegt, sein Mitbewerber steigerte sein Ergebnis nur von 35,13 auf 48,68 Prozent.

Auch in Tirol hat die Auszählung der Briefwahl das Ergebnis der Bundespräsidenten-Stichwahl gedreht. Während am Sonntag noch Norbert Hofer hauchdünn mit 50,72 Prozent voran war, liegt nun Alexander Van der Bellen mit 51,39 Prozent auf Platz Eins. Laut Landeswahlbehörde waren über 61.000 Wahlkarten im Bundesland ausgestellt worden.

Wären am Sonntag nur die Kärntner zur Bundespräsidentschaftswahl gegangen, Norbert Hofer (FPÖ) hätte deutlich gewonnen. Er setzte sich mit 58,1 Prozent gegen Alexander Van der Bellen durch (inkl. Briefwahl). 127 von 132 Gemeinden wählten blau. Durch die Briefwahl hatten sich in Kärnten noch zwei Prozentpunkte von Hofer hin zu Van der Bellen verschoben.